Publikation Staat / Demokratie - Demokratischer Sozialismus - Gesellschaftstheorie - Deutsche / Europäische Geschichte Es wird Zeit, statt Mühle Schach zu spielen

Die Abrechnung des Hubertus Knabe mit der Partei DIE LINKE. Rezension von Michael Brie.

Information

Reihe

Online-Publ.

Autor

Michael Brie,

Erschienen

April 2009

Die Abrechnung des Hubertus Knabe mit der Partei DIE LINKE. Rezension von Michael Brie.

Dieses Buch ist eine Kampfschrift und sein Ziel ist klar: Es soll dazu beitragen, die Partei DIE LINKE „auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern, auf dem die DDR zu Recht gelandet ist“ (S. 392). Diesem einen Ziel wird alles untergeordnet: Die Darstellung deutscher Geschichte seit 1918 genauso wie die Ausführungen zu Politik und Personal der Partei DIE LINKE heute.

Zwei Gruppen sei es empfohlen, dieses Buch zu lesen: Zum einen jenen, die wissen wollen, welche Argumente dafür sprechen, die Linkspartei in Deutschland zu entsorgen, gut beraten, diese flüssig geschriebene kenntnisreiche, durch viele Fakten und Zitate sich auszeichnende Schmähschrift zu lesen. Sie steht damit in der Tradition vieler Pamphlete im politischen Kampf der Neuzeit. Wie immer in solchen Texten wird niemand „DIE“ Wahrheit finden, sondern Argumentationen für ein politisches Ziel – in diesem Falle für den Kampf gegen die Linkspartei.

Die vorgebrachten Gründe im Kampf gegen die Partei DIE LINKE sind nicht neu: Sie stehe in einer Tradition von Diktatur, Terror, Misswirtschaft und Lüge. Sie sei nichts anderes als eine KPD und SED in anderer Gestalt. Diese selbst werden fast durchweg auf einen Nenner gebracht: „hochideologisierte, antidemokratische und gewalttätige Kaderpartei“. Ein nennenswerter Bruch habe auch nach 1989 nicht stattgefunden.

Für eine andere Gruppe kann die Lektüre dieses Buches eine therapeutische Funktion haben: Viele Mitglieder und Anhänger der Partei DIE LINKE sind zweifelsohne immer wieder verführt, sich selbst die Vergangenheit passend hinzubiegen, die Geschichte von KPD, SED, PDS, Linkspartei und der neuen Partei DIE LINKE zurechtzuerzählen, wie es politisch opportun erscheint und dazu dient, die Partei zusammen zu halten und Wählerstimmen zu maximieren. Auch die Programmatik der Partei ist nicht frei davon.
Viele derer, die in diesem Buch genannt sind, haben Gründe und gute, gegen dieses Buch vorzugehen, gegebenenfalls auch gerichtlich – dies soll hier nicht beurteilt werden. Sozialistische Historiker werden eine unendliche Zahl von Aber vorbringen. Aber niemand wird sagen können, dass dieses Buch nur falsch sei. Und vieles ist wahr, viel zu vieles, um es als Fußnote abzutun. Gegen die billige Instrumentalisierung von Geschichte und die Blindheit gegenüber den Opfern des bolschewistischen Parteikommunismus hilft dieses Buch – aber nur, wenn es wie eine gering dosierte Menge Gift genossen wird. Aber indem Hubertus Knabe ein simples Schwarzbuch der Partei DIE LINKE geschrieben hat, macht er es Weißwäschern in deren eigenen Reihen eigentlich viel zu leicht.

Zum aufrechten Gang gehört auch das Bekenntnis zur eigenen Geschichte gerade dann, wenn sie unbequem ist. Und wer wollte bestreiten, dass die KPD Anfang den Sturz der Weimarer Republik wollte und dies auch mit den Mitteln des Bürgerkrieges versucht hat. Wer könnte abstreiten, dass die SED in der DDR eine politische Diktatur errichtet hatte und sich die Zentralverwaltungswirtschaft als unterlegen gegenüber einer sozialen Marktwirtschaft erwies. Und wer dürfte bestreiten, dass es ein hohes Maß an Kontinuität zwischen SED-Nomenklatura und PDS gegeben hat und dies auch mit einem hohen Anteil von informellen Mitarbeitern des MfS in deren Reihen verbunden ist. Auch die Rolle westdeutscher Gruppen, nicht wenige von Ostberlin aus finanziert, ist bekannt. All dies ist richtig, aber keinesfalls neu.

Hubertus Knabes Pamphlet ist bewusst absolut einseitig und will es auch sein. Der Preis ist hoch: Der Kommunismus wird auf eine Geschichte von Verbrechen reduziert, die DDR erscheint nur als „großes Gefängnis“. Bezahlt wird der Preis mit Unlogik: Zum einen werden die Vertreter dieser Partei durchgängig als Lügner dargestellt, die nur ein Ziel haben, in Deutschland wieder Sozialismus (gleichgesetzt mit Diktatur) einzuführen. Und zugleich werden die Argumente der linkesten Kritiker aus der Partei selbst bemüht, um der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg/Vorpommern bzw. Berlin schlimmsten Neoliberalismus zu unterstellen. Bei allen Vertretern der SED wird deren konkretes Handeln mit den ideologischen Zielen der Partei gleichgesetzt, geht es um Angela Merkel, einer Sekretärin der FDJ für Agitation und Propaganda, handelt es sich plötzlich nur um „eine bescheidene ehrenamtliche Funktion, wie es sie zehntausendfach gab“ (S. 97). Hat Hubertus Knabe das Statut der FDJ und sein Bekenntnis zum Sozialismus und zur führenden Rolle der SED nicht gelesen? Zum einen werden KPD, SED, PDS und Partei DIE LINKE letztlich verbrecherische Ziele unterstellt und dann wird fast en passant von der „Anziehungskraft der sozialistischen Idee“ gesprochen (S. 392).

Die Reihe solcher Ungereimtheiten ließe sich fortsetzen. Es ist die Schwäche jeder Schmähschrift, dass die Dialektik der Realität sich in den logischen Ungereimtheiten ihrer Verfasser Bahn bricht. Anstelle sich den Widersprüchen der realen Linken und ihrer Vertreter zu stellen, geht es Hubertus Knabe um eine eindeutige Verurteilung. Ihm fehlen die Neugierde und die Leidenschaft des offenen Nachdenkens. Wie Kafka schrieb, ist aber der Denker, „der ohne das Paradox ist, … wie ein Liebhaber ohne Leidenschaft: ein mittelmäßiger Patron“. Und deshalb ist Hubertus Knabes Schrift so ähnlich vielen Apologien der DDR, die er mit aller Kraft zu bekämpfen sucht. Das einfache Gegenteil von schlecht ist keinesfalls gut. Und Schmähschriften sind ein zu billiges Vergnügen und zugleich ein viel zu gefährliches Mittel der Politik, als dass sie unwidersprochen hingenommen werden sollten.

Als Kampfschrift zielt Hubertus Knabes Buch auf die Erzeugung eines antagonistischen Gegensatzes zwischen Demokraten und Anhängern der Freiheit einerseits und Anhängern der Gleichheit und der Partei DIE LINKE andererseits. Im Für und Gegen können sich all jene gestärkt fühlen, die einen solchen Gegensatz wollen. Die Bundesrepublik aber braucht diesen feindlichen Gegensatz nicht, sie braucht eine andere Politik. Und genau an diesem Punkt versagt Hubertus Knabe wiederum auf die gleiche Weise wie orthodoxe Kommunisten. Mit diesen teilt er die Position, dass man mehr Gleichheit nur schaffen könne, wenn die Freiheit eingeschränkt werde (S. 138). Mit den überzeugtesten Stalinisten gemeinsam kann er sagen: „Freiheit und Gleichheit, Demokratie und Sozialismus sind … nicht miteinander vereinbar.“ (S. 392) Während diese aber sich für Gleichheit ohne Freiheit und Sozialismus ohne Demokratie entschieden, votiert er für das einfache Gegenteil.

Eine solche Position verkörpert von rechts jenes Scheitern gegenüber den Emanzipationsbewegungen der letzten dreihundert Jahre, das der sowjetische Sozialismus von links verkörpert hat. Wer aber die Gleichheit zugunsten der Freiheit aufopfert, legitimiert Willkür, Ausbeutung und das Monopol der Wenigen über das Schicksal der Vielen. Die aktuelle Krise eines entfesselten Kapitalismus ist genau aus einer solchen Position entsprungen. Eine andere Politik ist notwendig, eine Politik, die den Widerspruch zwischen Freiheit und Gleichheit, zwischen Demokratie und gesellschaftlicher Planung solidarisch löst. Es wird wieder einmal Zeit, statt Mühle endlich Schach zu spielen!

Hubertus Knabe: Honeckers Erben. Die Wahrheit über DIE LINKE. Berlin: Propyläen 2009. 448 Seiten. 22,90 Euro