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Newsletter vom 24.08.2007, 15:05:35
Betreff: Newsletter September Rosa-Luxemburg-Forum Ba-Wü

nach einer kleinen Verschnaufpause im August können wir Ihnen wieder wie gewohnt eine Vielzahl interessanter Veranstaltungen für September und bis zum Jahresende präsentieren.

Besonders hinweisen möchten wir auf unsere Veranstaltungsreihe zum Themenfeld "Migration und Integration" , die mit insgesamt 7 Veranstaltungen von September bis Dezember in Tübingen/Reutlingen stattfinden wird.
Einen Überblick über das Gesamtprogramm der Reihe erhalten Sie hier:
http://www.rlf-bw.de/cms/index.php?article_id=189

Aktuelles zu unseren Veranstaltungen können Sie auch immer dem Veranstaltungskalender auf unserer Homepage entnehmen:
http://www.rlf-bw.de/cms/index.php?article_id=44

Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Schlager
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1) Veranstaltungen im September

a) Karl Kopp (Pro Asyl, Frankfurt): "Ist oder war Deutschland ein Einwanderungsland? Schein und Realität deutscher und europäischer Migrationspolitik" // Montag, 3.9. // Reutlingen

b) "18 Minuten Zivilcourage" Film und Gepräch mit Filmemacher und Zeitzeugen // Mittwoch, 5.9. // Tübingen

c) Sevim Dagdelen (MdB Die Linke, Berlin): "Was bringt der nationale Integrationsplan?" // Montag, 24.9. // Tübingen

d) Elias Bierdel (Cap Anamur / Borderline Europe, Köln): "Tatort Europa - Flüchtlingsschutz statt Frontex!" // Donnerstag, 27.9. // Reutlingen

2) RLS-Stipendien für Studierende und Promovierende

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1a)
Karl Kopp (Pro Asyl, Frankfurt): "Ist oder war Deutschland ein Einwanderungsland? Schein und Realität deutscher und europäischer Migrationspolitik"

Montag, 03.09.2007; 20.00 Uhr // Cafe Nepomuk, Unter den Linden 23, 72762 Reutlingen


„Deutschland ist ein Einwanderungsland“. Angesichts von über 15 Millionen im Land lebenden „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist dies eine Tatsache geworden, die seit wenigen Jahren nun auch von Konservativen anerkannt wird. Dabei wird die Einschränkung gemacht, dass Deutschland kein „klassisches“, sondern ein „modernes“ Einwanderungsland sei. Statt wie früher die MigrantInnen einfach zu ignorieren oder als Menschen zweiter Klasse zu behandeln, wird seit einigen Jahren die „kulturelle Vielfalt“ entdeckt und es wird eine aktive Integrationspolitik beitrieben, die sich freilich an den Interessen der weißen Mehrheitsgesellschaft orientiert. Das Bild vom Einwanderungsland mit der schönen neuen Vielfalt wird aber schief, wenn man auf die Entwicklung der Migration nach Deutschland schaut:

* die Asylzahlen sind auf einem historischen Tiefstand angelangt.
* die Bleiberechtsregelung für über Jahre nur geduldete Flüchtlinge ist mehr als kleinlich und erlaubt nur einem geringen Prozentsatz der Betroffenen ein tatsächliches Bleiberecht.
* das „modernste Zuwanderungsgesetz Europas“ (Otto Schily) erlaubt nach wie vor nur hochqualifiziertem „Brain Drain“ und bereits erfolgreichen Unternehmern ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Obwohl immer wieder hervorgehoben wird, dass Deutschland viele Fachkräfte diese Art brauche, bleibt die Zahl der Zuwanderer im dreistelligen Bereich pro Jahr.
* die EU-Grenze wird weiter militarisiert („Frontex“) statt nach humanitären Lösungen zu suchen und Fluchtursachen zu bekämpfen.
* ArbeitsmigrantInnen werden in diversen Wirtschaftssektoren als billige Arbeitskräfte toleriert, ansonsten wird die „illegale Migration“ als ähnlich monströse Bedrohung wie der „Terrorismus“ und die „organisierte Kriminalität“ eingestuft.

Ist also Deutschland ein Einwanderungsland oder war es eines? Was ist gegen die aktuelle Flüchtlings- und Migrationspolitik auf nationaler und europäischer Ebene einzuwenden? Was müsste geschehen, damit sich Deutschland und die EU nicht weiter ihrer Mitverantwortung für die globalen Fluchtursachen entziehen? Wie müsste demnach eine Flüchtlings- und Migrationspolitik aussehen, die globaler Verantwortung gerecht wird und sozialen und menschenrechtlichen Standards genügt?

Der Sozialwissenschaftler Karl Kopp ist Vorstandsmitglied und Europareferent bei Pro Asyl sowie Vorstandsmitglied im Europäischen Flüchtlingsrat (ECRE).

in Kooperation mit dem Nepomuk Kulturverein, der evangelischen Kontaktstelle für Asylarbeit Reutlingen und dem AK Flüchtlinge Reutlingen
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1b)
"18 Minuten Zivilcourage"
Film und Gepräch mit Filmemacher und Zeitzeugen

Mittwoch, 05.09.2007; 20.00 Uhr (davor ab 19.00 Uhr veganes Essen) // Hausbar, Schellingstr. 6, 72072 Tübingen


Tübingen, im August 1987: Mitarbeiter eines Supermarktes meinen, in dem
19-jährigen Asylbewerber Kiomars Javadi einen Ladendieb zu ertappen. Als sie
Kiomars bedrängen, versucht dieser zu fliehen, wird aber von den
Angestellten zu Boden geworfen und 18 Minuten lang so heftig im Würgegriff
festgehalten, dass er tot ist, als die Polizei eintrifft.

An die 15 Leute hatten zugesehen, ohne Zivilcourage zu zeigen. Der Tod
Kiomars Javadis schreckte einen Teil der Tübinger Bevölkerung auf, die zuvor
auf die Asylbewerber vor allem mit Ablehnung und Unverständnis reagiert
hatten. Die, die ihn töteten, wurden wegen “günstiger Prognosen” jedoch nur
zu einer kurzen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Der Film dokumentiert die Ereignisse und die Reaktionen der Behörden und der Tübinger Bevölkerung – zwischen Gleichgültigkeit, institutionalisiertem, alltäglichem Rassismus und Solidarität.

In der Veranstaltung soll auch über Möglichkeiten diskutiert werden, wie das damalige Ereignis im Tübinger Stadtbild präsent gemacht und an den Tod Kiomars Javadis erinnert werden kann.

in Kooperation mit dem Infoladen Tübingen
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1c)
Sevim Dagdelen (MdB Die Linke, Berlin): "Was bringt der nationale Integrationsplan?"

Montag, 24.09.2007; 20.00 Uhr // Schlatterhaus, kl. Saal, Österbergstr. 2, 72074 Tübingen


Im Juli dieses Jahres hat die Bundesregierung den „Nationalen Integrationsplan“ verabschiedet. Was mit der Einführung von Integrationskursen im Jahr 2005 angefangen hat, soll nun auf andere gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Arbeitsmarkt, Kultur und Medien ausgeweitet werden.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als kümmere sich der Staat endlich um eine Bevölkerungsgruppe, die über Jahrzehnte vernachlässigt wurde, weil sie nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen wurden und man davon ausging, dass „die Ausländer“ eh irgendwann wieder „nach Hause“ gehen. Seit einiger Zeit versuchen sich nun sogar Konservative, mit der neuen Integrationspolitik positiv zu inszenieren. Integrationsprogramme sind von der nationalen bis zur kommunalen Ebene zur Chefsache erklärt worden.
Auch in Tübingen besteht nach jahrelanger Zurückhaltung das Vorhaben, eine/n Integrationsbeauftragten einzustellen und eine aktivere Politik in diese Richtung zu betreiben. Aus linker Sicht wurde der Integrationspolitik hauptsächlich vorgeworfen, dass sie zu einseitig an den angenommenen Defiziten von MigrantInnen und am Erlernen der deutschen Sprache ansetze. Der eine schwammige „deutsche Leitkultur“ fordernde konservative Integrationsdiskurs stellt die MigrantInnen nach wie vor unter den Verdacht der „Integrationsverweigerung“ und negiert institutionellen Rassismus, alltägliche Diskriminierungen und längst gelebte alltägliche Interkulturalität.
Weil auch statt einer Förderung von Einbürgerungen das Einbürgerungsrecht weiter erschwert wird und die Zahl der Neu-Einbürgerungen weiter zurück geht, entwickeln sich in manchen Großstädten bereits „demokratiefreie Zonen“. Um wirklich von Integration sprechen zu können, sagen linke KritikerInnen, müssen die hier lebenden MigrantInnen die vollen Bürgerrechte erhalten. Es erscheint nicht unwesentlich, dass genau das nicht im Integrationsplan vorgesehen ist.

Die Referentin wird die Inhalte und Ziele des Nationalen Integrationsplans sowie die linke Kritik daran darstellen und diskutieren. Sie wird der Frage nachgehen, wie eine in mancher Hinsicht bemühte Integrationspolitik und eine nach wie vor restriktive Asyl- und Migrationspolitik zusammen passen. Und sie wird darstellen, was linke Politik fordert, damit die Benachteiligungen der Menschen mit Migrationshintergrund in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und politischer Partizipation abgebaut werden.

Die Juristin und Journalistin Sevim Dagdelen ist MdB für Die Linke. Sie ist im Bundestag aktiv in den Themenbereichen Integration und Migration. Sie ist Mitglied bei der Föderation Demokratischer Arbeitervereine e. V. (DIDF), im Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. und bei ver.di.

in Kooperation mit dem Forum Internationales Tübingen und attac Tübingen
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1d)
Elias Bierdel (Cap Anamur / Borderline Europe, Köln): "Tatort Europa - Flüchtlingsschutz statt Frontex!"

Donnerstag, 27.09.2007; 20.00 Uhr // Cafe Nepomuk, Unter den Linden 23, 72762 Reutlingen


Der 21.Juni 2007 war der internationale Tag des Flüchtlings. Auch an diesem Tag erreichten 26 afrikanische Flüchtlinge Europa nur als Leichen. Ihr Boot ging südlich vor Malta unter. Seit April dieses Jahres operiert die neue EU-Grenzschutzagentur FRONTEX. Ihre Aufgabe ist es, die Grenzen um die Europäische Union vor „illegalen“ Einwanderern zu „schützen“. Dem sozialen Phänomen der Migration wird mit militärischen Mitteln begegnet. Mit Hubschraubern, Flugzeugen und Patroullienschiffen sollen Flüchtlinge daran gehindert werden, Europa zu erreichen. Ihre Boote sollen abgedrängt und an die afrikanischen Küsten zurück „begleitet“ werden. Und „natürlich“ sollen sie gerettet werden, wenn sie in Seenot sind. Sagen Schäuble und Frattini. Mit der „Cap Anamur“ hat Elias Bierdel im Jahr 2004 vor der italienischen Insel Lampedusa 37 junge Afrikaner aus Seenot gerettet. Was ist damals passiert? Die Cap Anamur wurde von Kriegsschiffen belagert und erst nach langem Hin und Her durfte sie in einen
italienischen Hafen einlaufen. Die Flüchtlinge wurden alle sofort abgeschoben und die Besatzung wegen „Schlepperei“ angeklagt. Derzeit läuft das Verfahren im italienischen Agrigent. Statt der Verleihung eines Menschenrechtspreises wird die humanitäre Hilfe durch die Cap Anamur als Verbrechen behandelt. Laut dem damaligen deutschen Innenminister Otto Schily war die Hilfsaktion der Cap Anamur ein „gefährlicher Präzedenzfall“.

Weit weniger als für die Kriminalisierung von Helfern tut die EU zur Lebensrettung von Flüchtlingen. Allein im Bereich der kanarischen Inseln sind im letzten Jahr nach Angaben der spanischen Regierung ca. 6000 Flüchtlinge ertrunken. Die Europäische Union, die sich gerne als Hüterin von Menschenrechten und Demokratie inszeniert, hat ein massives menschenrechtliches Problem an ihren Festungsmauern, über das nur zu gerne der Mantel des Schweigens gehüllt wird. Hier prallen die Zivilisationen aufeinander, hier schottet sich das reiche Europa gegen den armen Rest der Welt ab, die Gewinner vor den Verlierern der kapitalistischen „Globalisierung“. Die Welt darf zu ihren Freunden höchstens zu Gast kommen. Trotzdem wandern pro Jahr etwa eine halbe Million „Illegale“ in die EU ein. Das perfide Grenzregime ist immer noch durchlässig, allerdings unter immer höheren Risiken. Die meisten, die ihren Weg nach Europa geschafft haben, müssen nicht nur hohe Summen an ihre sog. „Schlepper“ bezahlen, sondern werden in den landwirtschaftlichen Industrien Südeuropas, in der Gastronomie und in privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen ausgebeutet – zum Nutzen ihrer Arbeitgeber und der Konsumenten und auch zum Gesamtnutzen der neoliberalen Ökonomie.

Elias Bierdel wird bei der Veranstaltung aus eigener Anschauung über die Realität der „Festung Europa“ berichten. Er wird Auszüge aus seinem Buch „Ende einer Rettungsfahrt – Das Flüchtlingsdrama der Cap Anamur“ vortragen – und wir werden einen Film sehen, der während der Hilfsaktion auf der Cap Anamur gedreht wurde. Und es werden Initiativen vorgestellt, die über die Schattenseiten der EU-Migrationspolitik aufklären und die Alternativen gegen Abschottung und Repression aufzeigen.

im Rahmen der Interkulturellen Woche

in Kooperation mit dem Nepomuk Kulturverein e.V., dem AK Flüchtlinge Reutlingen und der Evangelischen Kontaktstelle für Asylarbeit Reutlingen

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2)
Lass Dich fördern!

Bis zum 31. Oktober sind Bewerbungen für die Studien- und Promotionsstipendien der RLS möglich.

Die Rosa Luxemburg Stiftung vergibt Stipendien an Studierende und DoktorandInnen, die sich durch hohe fachliche Leistungen sowie ein ausgeprägtes gesellschaftliches oder soziales Engagement im Sinne der Stiftung auszeichnen. Die RLS zielt auf den Ausgleich sozialer oder geschlechtlicher Benachteiligung; bei vergleichbaren Leistungen werden daher Frauen, MigrantInnen, sozial Bedürftige und Menschen mit Behinderungen bevorzugt.

Über das Stipendium hinaus bietet die Rosa Luxemburg Stiftung den StipendiatInnen ein umfangreiches Förderprogramm, bestehend aus Seminaren, Workshops, Konferenzen, Ferienakademien und Bildungsreisen. Auch fördert die RLS die Selbstorganisation der StipendiatInnen und ermöglicht die Teilnahme an Veranstaltungen des bundesweiten Stiftungsverbunds.

Um ein Studienstipendium können sich Studierende aller Fachrichtungen bewerben, die zum Personenkreis des § 8 BAföG gehören oder MigrantInnen mit dauerhafter Bleibeperspektive in Deutschland sind. BewerberInnen müssen an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland immatrikuliert sein, innerhalb der Regelstudienzeit studieren und sollten i.d.R. noch 4 Semester Regelstudienzeit studieren (Ausnahme: MA). Gefördert werden können Studierende ab dem zweiten Semester.

Um ein Promotionsstipendium können sich in- und ausländische Doktoranden aller Fachrichtungen (Ausnahme: medizinische Fachrichtungen) bewerben, wenn sie an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland zur Promotion zugelassen sind und deren Promotion nicht schon durch eine andere Institution gefördert wurde.

Nächster Bewerbungsschluss: 31. Oktober 2007

»Aufbruch 1989«

Die RLS schreibt im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Stipendienprogramm zum Thema »Aufbruch 1989«, an dem 17 Stiftungen beteiligt sind, ein Promotionsstipendium aus. Bewerbungsschluss ist der 15. Januar 2008.

Informationen über Bewerbungsmodalitäten sämtlicher Stipendienarten sowie Bewerbungsunterlagen finden sich hier:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=411

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