Nachricht | Mitgliederversammlung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg

Am Freitag, den 2. Dezember 2022 führte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg im Willi-Bleicher-Haus / Gewerkschaftshaus in Stuttgart ihre jährliche Mitgliederversammlung durch. An der Versammlung nahmen 26 der 63 Vereinsmitglieder teil. Als Vertreterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung konnte die Versammlung Stefanie Ehmsen, Leiterin des Bereichs Bundesweite Arbeit, begrüßen. Sie skizzierte in ihrem Beitrag die Herausforderungen an die politische Bildungsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Zeiten multipler gesellschaftlicher Krisen und einer in inhaltlichen und strategischen Konflikten gefangenen gesellschaftlichen Linken. Hier könne und müsse die Stiftung einen Beitrag zur Diskussion und Verständigung leisten, indem sie offen Diskussionsräume biete, in denen kontrovers, pluralistisch und ergebnisoffen diskutiert und solidarisch gestritten werden könne. Angesichts in mittlerer Frist zu erwartender sinkender finanzieller Ressourcen komme hier dem ehrenamtlichen Engagement, das ein konstitutiver Bestandteil der Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung sei, eine besondere Bedeutung zu.

Im Mittelpunkt der Versammlung stand der Austausch über die Bildungsarbeit des laufenden Jahres sowie der Ausblick auf Schwerpunkte der Bildungsarbeit im kommenden Jahr. Der Vorsitzende Philipp Frey skizzierte die Hauptlinien der Bildungsarbeit sowie einige ausgewählte Schwerpunktprojekte. Die Auseinandersetzung mit inhaltlichen und strategischen Grundfragen der gesellschaftlichen Linken sowie die Frage nach Veränderungen in gesellschaftlichen Milieus und linken Wählerpotenzialen sei durchgängig Gegenstand der Überlegungen und der Suche nach geeigneten Themen und Formaten für Bildungsveranstaltungen gewesen. Mit dem Angebot des offenen Mitgliedersalons habe man erste Schritte gemacht, um die Mitgliedschaft aktiv in diesen Diskussionsprozess einzubeziehen. Mit der Seminarwoche «Politikakademie für junge Aktive» habe man wieder ein intensives Bildungsangebot für junge organisierte Linke machen können, um diese mit Grundfragen linker Theorie und Geschichte vertraut zu machen und ihnen Handwerkszeug für ihre politische Praxis zu vermitteln. Ein weiterer Schwerpunkt, dem man auch in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit widmen wolle, sei das Feld der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und hier insb. die Themen industrielle Entwicklung und technologischer Wandel sowie Arbeitszeitpolitik gewesen. Als regelmäßiges Format habe wieder die jährliche Theo Bergmann-Lecture stattgefunden, die sich dieses Jahr der Frage nach einer zeitgenössischen Sozialismus-Diskussion angenommen habe. Abschließend verwies Philipp Frey auf zwei Aspekte der Bildungsarbeit, die quer zu den thematischen Schwerpunkten lägen und wesentlich für deren Erfolg seien. So sei es zum einen eine Stärke der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass diese breite gesellschaftliche Milieus erreichen könne, was etwas die Beteiligung am diesjährigen Katholikentag in Stuttgart gezeigt habe. Zum anderen sei es etwas Besonderes, dass durch die enge Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Strukturen der Rosa-Luxemburg-Clubs in der Erwachsenenbildung und der Gruppen von INPUT in der Jugendbildung eine weite regionale Repräsentanz in einem Flächenland wie Baden-Württemberg erreicht werde.  
   
Filippo Capezzone, der im Regionalbüro das Themenfeld «Sozial-Ökologischer Wandel und Konversion» koordiniert, blickte auf die beiden «Spurwechsel»-Tagungen 2021 und 2022 zurück. Das Ziel der beiden, jeweils mit 70-100 Teilnehmer:innen besuchten Veranstaltungen, sei es gewesen, indust-riepolitische, gewerkschaftliche, soziale und ökologische Fragestellungen zusammen zu denken und Möglichkeiten alternativer Produktion und der Stärkung von Mitbestimmung und wirtschaftsdemokratischer Ansätze aufzuzeigen. Mit dem Projekt versuche man, an aktuelle Auseinandersetzungen und regionale Problemstellungen anzuknüpfen. Mit der Gründung eines Transformationsrates für die Region Mittlerer Neckarraum, dessen Konstituierung am 7. Dezember 2022 stattfinden solle, wolle man einen organisatorischen Unterbau für die Fortführung dieser Diskussion sowie zur Vernetzung der wichtigsten Akteure schaffen.

Für den Rosa-Luxemburg-Club Kirchheim unter Teck berichtete Heinrich Brinker darüber, wie es dort gelinge, erfolgreich Bildungsarbeit vor Ort zu machen. Wichtig sei es, gut vernetzt zu sein mit relevanten Akteuren und Multiplikatoren. Man habe es sich zum Prinzip gemacht, sämtliche Bildungsveranstaltungen gemeinsam mit einem (thematisch wechselnden) Kreis von Kooperations-partnern durchzuführen und an bestehende Netzwerke und Initiativen anzuknüpfen. Durch die Bekanntheit der lokalen Club-Akteure verfüge man über einen guten Zugang zur Lokalpresse, die regelmäßig über die Veranstaltungen berichte. Hinsichtlich der Themensetzung achte man darauf, an Themen vor Ort anzuknüpfen, nichts zu doppeln, was andere bereits gut machten, und ein brei-tes Themenspektrum sowie verschiedene Formate (Diskussionen, Filme, Gespräche etc.) anzubieten. Man sei sehr zufrieden damit, dass es mit dieser Herangehensweise gelinge, einen guten Publikumszuspruch und auch Personen zu erreichen, die man bei anderen Veranstaltungen sonst nicht als Gäste begrüßen könne.

Die Schatzmeisterin Dagmar Uhlig und der Leiter des Stuttgarter Regionalbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung Alexander Schlager gaben einen Überblick über zahlenmäßige Eckdaten der Bildungsarbeit. Mit einem Einsatz von ca. 90.000 € an Fach- und Sachmitteln habe man etwa 130 Bildungsveranstaltungen organisieren können, die von knapp 4.000 Teilnehmer:innen besucht worden seien. Quantitativ seien dabei die Themenfelder «Neonazismus / Rassismus» und «Erinnerungspolitik / Antifaschismus» sowie «Internationale Politik», «Krieg und Frieden» und «Migration / Flucht» diejenigen gewesen, zu denen die meisten Veranstaltungen stattgefunden hätten.

Nach der Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2021 und der entsprechenden Entlastung des Vorstandes stand eine außerplanmäßige Neuwahl für das Amt der Co-Vorsitzenden statt, da die bislang amtierende Vorsitzende Sabine Vogel, der die Versammlung herzlich für ihre Arbeit dankte, berufsbedingt aus Baden-Württemberg weggezogen ist. Einstimmig gewählt wurde als neue Vorsitzende Renate Angstmann-Koch aus Tübingen. Renate Angstmann-Koch war bis zu ihrem Ruhestand in diesem Jahr lange Jahre Redakteurin beim «Schwäbischen Tagblatt», dort lange Jahre Betriebsratsvorsitzende sowie aktiv in ver.di und dju. Sie ist aktiv im Vorstand der «Linken Medienakademie» sowie Mitglied in der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Als Schwerpunkte, die sie in ihre Arbeit als Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg einbringen wolle, nannte sie neben der Weiterentwicklung von Formaten zur Stärkung von Medienkompetenz und kritischem Mediendiskurs die weitere Regionalisierung der Bildungsarbeit in Kooperation mit den Rosa-Luxemburg-Clubs, die Entwicklung von Formaten, die über ein eher akademisches Milieu hinaus Menschen erreichen sowie die kommunalpolitische Bildungsarbeit. Darüber hinaus wolle sie sich einsetzen für eine Stärkung der Rolle der Landesstiftungen innerhalb des Verbundes der Landesstiftungen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Versammlung brachte ihre Freude zum Ausdruck, mit Renate Angstmann-Koch und Philipp Frey (Karlsruhe), der weiterhin als Vorsitzender amtiert, über ein Vorsitzenden-Duo zu verfügen, das zusammen mit dem ebenfalls weiter amtierenden stellvertretenden Vorsitzenden Erhard Korn (Steinheim) in der Lage ist, die Bildungsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg weiter voranzubringen.

Zum Abschluss diskutierte die Versammlung über die Schwerpunkte der Bildungsarbeit für das kommende Jahr. Von den zahlreichen Hinweisen und Impulsen, die den Vorstand in seiner Arbeit leiten werden, können hier nur einige ausgewählte genannt werden. Das Thema Wohnen und Miete bleibe von anhaltender Relevanz für die Menschen, Konzepte für eine sozial gerechte und nachhaltige Stadtentwicklung zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen die Aufgabe linker Bildungsarbeit. Hier seien bereits dezentrale Tages-Workshops geplant. Ebenfalls bereits in der Planung sei die Fortführung des Schwerpunktprojekts «Politikakademie für junge Aktive», eine kommunalpolitische Qualifizierungsreihe «Crashkurs Kommune» in Zusammenarbeit mit dem Forum Linke Kommunalpolitik in Baden-Württemberg, die Wiederausrichtung der Theo Bergmann-Lecture, eine gewerkschaftspolitische Konferenz sowie die weitere intensive Arbeit zum Schwerpunkt «Spurwechsel». Das Themenfeld der historischen Bildungsarbeit soll wieder einen breiten Raum einnehmen, u.a. mit der Beschäftigung zum 90. Jahrestag der Machtübertragung an die NSDAP, den Gründungsjubiläen der Türkei und Israels sowie den Geburtstagen von Max Horkheimer und Friedrich Westmeyer. Einzelne Themen, die als Anregungen für die Bildungsarbeit diskutiert wurden, waren u.a.: Verkehrspolitik, Gesundheitspolitik und Pflegenotstand, (Aus-)Bildungsnotstand, Formen von politischem Aktivismus, die Auseinandersetzung mit Verschärfungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, Energiekrise und Energiepolitik, linke Konzepte für eine neue Friedenspolitik, linke Konzepte für den Sozialstaat, Themen internationaler Politik wie Europapolitik oder der Austausch mit linken Projekte in Rojava.

Insgesamt konnte die Mitgliederversammlung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg auf ein erfolgreiches Jahr linker politischer Bildungsarbeit in Baden-Württemberg zurück- und gestärkt und mit frohem Mut in das kommende Jahr blicken. Ein herzlicher Dank gilt allen ehrenamtlich an der Konzeption und der Umsetzung des Bildungsprogramms Beteiligten.