Nachricht | Staat / Demokratie - International / Transnational - Afrika - Geschichte - Parteien- / Bewegungsgeschichte Der ANC im Exil

Eine hitzige Debatte um die Vergangenheit und die Zukunft der Regierungspartei

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Über 100 Interessierte kamen am Samstag den 15. November 2014 in das Haus of Movements in Johannesburg, um sich mit Professor Stephen Ellis über seine in Südafrika breit diskutierten Thesen auseinanderzusetzen.

Sein im Jahr 2012 erschienenes Buch „External Mission. The ANC in Exile“ hat eine historische Debatte über die Geschichte des ANC ausgelöst. Vor allem der Einfluss der kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) und der ehemaligen Länder des Ostblocks während des kalten Krieges auf den ANC sowie die Bedeutung des bewaffneten Kampfes gegen das Apartheidregime werden seitdem heiß diskutiert. Eingeladen hatte zu dieser Veranstaltung in der City von Johannesburg das Khanya College (http://khanyacollege.org.za) mit Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung Johannesburg (www.rosalux.co.za) .

Der Historiker Ellis setzte sich in seinem Vortrag mit dem bewaffneten Kampf des ANC auseinander. Ellis wirft dem ANC vor, den Kampf mit der Waffe in der Hand zu überhöhen. Zu keiner Zeit hätte der ANC das Apartheiregime militärisch in die Knie zwingen können.

Nach Ellis waren die internationalen Sanktionen und die im Land durchgeführten Proteste, die nicht der ANC, sondern die Gewerkschaften und andere Gruppen unter dem Banner der United Democratic Front angeführt haben, für das Ende der Apartheid verantwortlich.

Ellis will auch einen anderen Mythos aus dem Weg räumen. Er bestreitet, dass der ANC 1994 mit dem Ende der Apartheid eine erste, nationale Revolution erreicht hat, auf die eine zweite soziale Revolution folgen wird, welche die Lebensverhältnisse der ehemals unterdrückten Mehrheit verbessert.

Die heutige Enttäuschung vieler Menschen in Südafrika über die anhaltende hohe soziale Ungleichheit im Land hat, laut Ellis, mit dieser Revolutionsidee zu tun. Der ANC, so Ellis, müsse den Menschen reinen Wein einschenken, wonach das Ende der Apartheid nur ein verhandelter Übergang gewesen sei, der vielen Weißen in Südafrika kaum etwas von ihren Privilegien nahm.

Nach Ellis Vortrag entzündete sich eine zum Teil hitzige Debatte. Bei vielen Kritikern des ANC stoßen die Thesen von Ellis auf große Zustimmung. Mehr und mehr wird in Südafrika dem ANC und Nelson Mandela eine zu weiche Gangart gegen das weiße Regime beim Übergang in die Demokratie und eine nicht-rassistische Gesellschaft vorgeworfen. Statt der erreichten Transition wünscht man weiter eine Revolution und sieht angesichts der Verquickung des ANC mit dem großen Kapital gar eine Notwendigkeit für eine neue Bewegung.

Bei vielen Mitgliedern des ANC und vor allem den Veteranen des bewaffneten Kampfes sind Ellis Thesen nicht beliebt. Sie verweisen auf die große strategische Bedeutung des bewaffneten Kampfes, vor allem auch was die Mobilisierung der Jugend gegen das Apartheiregime auf den Straßen in Südafrika in den 1980er Jahren anbelangt.

Die immer wiederkehrende Frage nach der Rolle der Kommunisten für den ANC im Exil war auch Gegenstand der Diskussion. Für Ellis ist die damalige Allianz des ANC mit Moskau nur selbstverständlich. Weigerten sich doch die Regierungen in Washington und London lange ihren Fehler einzugestehen, dass der ANC keine Terrorgruppe war. Erst auf Druck der Bürgerbewegungen wurde diese Position verändert.

Über das Erbe des ANC im Exil und seine heutige Bedeutung im ANC wird sicher weiter gestritten werden. Spannend bleibt dieser Streit vor allem vor dem Hintergrund einer sich neu formierenden Linken, mit einerseits starken Wurzeln in den Gewerkschaften und einer an Kraft gewinnenden Jugendbewegung, um den früheren ANC-Jugendligapräsidenten Julius Malema. Dieser sieht sich und seine EFF (Economic Freedom Fighters) in der Tradition des jungen Nelson Mandela, der gegen den Widerstand der Alten den ANC in den bewaffneten Kampf für Freiheit und eine soziale Revolution geführt hatte.