… ist offensichtlich aktuell. Zwar sind die christlichen Kirchen in der Krise. Doch die Religionen sind weltweit auf dem Vormarsch, gerade in ihren fundamentalistischen Formen. Die positivistisch geprägten Illusionen der 70er Jahre sind dahin. Weder der Fortschritt naturwissenschaftlicher Erkenntnisse noch die gesellschaftlichen Entwicklungen haben diese Art von Religiosität zurückdrängen können. Wahrscheinlich eher im Gegenteil. Irrationale Anschauungen verbreiten sich in allen Kulturkreisen.
In der vielfältigen Ideengeschichte der Religionskritik ging es lange Zeit – und das war charakteristisch für das Zeitalter der Aufklärung – um den Streit darüber, ob die Glaubensinhalte wahr seien oder nicht. Mit dem deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach gab es in dieser Hinsicht eine bedeutende Wende: Er entzifferte die religiösen Inhalte als Ausdruck des menschlichen Wesens, menschlicher Wünsche und Sehnsüchte. Diese sollen nicht verneint, sondern verwirklicht werden.
Dieser Ansatz wurde auf je verschiedene Weise von Marx und Freud aufgegriffen. Die «Selbstzerrissenheit» der menschlichen Gesellschaft war für Marx der Grund für die religiöse Verdoppelung der Welt, und darum mündete die Kritik der Religion für ihn in die Kritik der herrschenden gesellschaftlichen Zustände. Freud sah – naheliegend genug – Gott als Projektion des Familienvaters und konzipierte seine Therapie als Befreiung der Menschen von Wiederholungszwängen und verinnerlichter Unterwerfung.
Wichtig ist, nicht hinter diesen Stand des kritischen Denkens zurückzufallen. Religionskritik ist kein Selbstzweck und nicht dazu da, die Gefühle religiöser Menschen zu verletzen. Sie mündet vielmehr in das Bemühen um die Selbstbefreiung der Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung – wie schwierig das heutzutage auch erscheinen mag.
Manuel Kellner, Jahrgang 1955, schloss sein Studium der Politik und Geschichte 1980 ab und 1983 seine Umschulung zum Maschinenschlosser. Seit Mitte der 80er Jahre war er politischer Hauptamtlicher, Redakteur, Schreiberling und in der Erwachsenenbildung tätig. 2006 wurde er Doktor der Philosophie mit einer Werkbiographie über den belgischen Marxisten Ernest Mandel. Zu seinen Buchveröffentlichungen gehört – 2010 im Schmetterling-Verlag erschienen – «Kritik der Religion und Esoterik. Außer sich sein und zu sich kommen.»
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