Aktuelle Nachrichten https://bw.rosalux.de/ Hier finden Sie unsere aktuellen Nachrichten. de Copyright Mon, 02 Dec 2024 21:39:04 +0100 Mon, 02 Dec 2024 21:39:04 +0100 TYPO3 Aktuelle Nachrichten https://bw.rosalux.de/fileadmin/sys/resources/images/dist/logos/logo_rss.jpg https://bw.rosalux.de/ 144 109 Hier finden Sie unsere aktuellen Nachrichten. news-52796 Thu, 28 Nov 2024 13:45:27 +0100 Fakt oder Fiktion? https://bw.rosalux.de/news/id/52796 Gute Argumente gegen populäre Irrtümer. Gesprächsreihe mit Fachleuten zu aktuellen Themen In einer Online-Veranstaltungsreihe präsentieren wir fünf Fachleute, die sich aktuellen Kontroversen – über Klimaschutz, Gesundheitswesen, Reichtum, Schienenverkehr und Mieten – stellen. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt sind Annahmen bzw. Mythen, die sich in der bundesdeutschen Gesellschaft großer Beliebtheit erfreuen.

Aber halten diese populären Mythen überhaupt den Fakten stand? Oder sind sie das Ergebnis einer Politik, die sich dem Schutz mächtiger Interessen verschrieben hat? Und wie können wir unsere Argumente schärfen, um den Verdrehungen und Lügen wirksam entgegenzutreten?

Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenlos, kinderleicht – und äußerst bequem: Online via Zoom kann man ganz entspannt vom heimischen Sofa aus mitwirken. Und wer sich vorbereiten möchte, findet auf dieser Seite die passende Publikation zum Thema.

Die Termine:

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news-52347 Sun, 21 Jul 2024 07:51:49 +0200 Das rote Graz? Erfolgsfaktoren linker Kommunalpolitik https://bw.rosalux.de/news/id/52347 Bericht zu unserer Bildungsreise nach Graz und die Steiermark news-52339 Wed, 17 Jul 2024 09:42:30 +0200 Das «System Putin» und der Krieg in der Ukraine https://bw.rosalux.de/news/id/52339 Osteuropa-Experte Dr. Felix Jaitner analysiert in Ludwigsburg die Genese des russischen Autoritarismus seit den 1990er-Jahren In Ludwigsburg referierte der Osteuropaexperte Dr. Felix Jaitner auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg und der Gruppe Ludwigsburg der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) sehr kenntnisreich über «Das System Putin und den Krieg in der Ukraine». Den Ausgangspunkt dieses bonapartistischen Regimes sieht er in der durch die ökonomische «Schocktherapie» nach der Auflösung der Sowjetunion ausgelösten Unsicherheit der Bevölkerung. Diese «Therapie» schon unter Jelzin war auch von der Metallindustrie in Baden-Württemberg massiv vorangetrieben worden, die Putin lange förderte. Widerstand gegen die wilde Privatisierung wurde unterdrückt und ein «Oligarchen-Staat» schützte die Eigentumsverhältnisse. Mit der Partei «Einiges Russland» habe Putin eine Plattform geschaffen für die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Elite. Rüstung diene der Stabilisierung der Wirtschaft, deren Basis der Rohstoffexport ist. Die Sanktionen wegen des Ukrainekriegs zwängen nun zum Versuch einer «Reindustrialisierung», die mit einem zunehmend aggressiven Nationalismus gefordert wird. Andererseits destabilisiere der Krieg auch den postsowjetischen Raum – die hegemoniale Kraft sowohl Russlands als auch des Westens seien ebenso geschwächt wie Völkerrecht, die UN und Abrüstungsbemühungen.

Mit weit über 70 Personen war die Veranstaltung sehr gut besucht. Gefragt wurde nach der Rolle der russischen Kommunistischen Partei KPRF, die Jaitner eher als «Scharfmacher« des Konflikt sieht. Von Widerstand der Bevölkerung gegen den Krieg könne kaum gesprochen werden, allerdings hätten ca. 1 Million junge Menschen das Land verlassen. Westliche Waffenlieferungen stachelten den Konflikt an mit verheerenden Folgen für die Ukraine.

Auf der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung sind Arbeiten von Felix Jaitner frei verfügbar:

auch sein wichtiges Buch:

Zuletzt erschien von ihm: «Russlands Kapitalismus. Die Zukunft des ‹System Putin›» (VSA Verlag 2023) In dem Sammelband «Die neuen Bonapartisten» schrieb er über «Die Entstehung des Kapitalismus und das ‹Regime der Ruhe›. Bonapartismus in Russland von Jelzin bis Putin». Der Sammelband steht ebenfalls kostenfrei online zur Verfügung.

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news-52034 Wed, 15 May 2024 13:01:07 +0200 1984 - Kampf um die 35-Stunden-Woche https://bw.rosalux.de/news/id/52034 Bilder und Bericht zur Ausstellungseröffnung Am 14. Mai 2024 eröffneten wir unsere Ausstellung «1984 - Kampf um die 35-Stunden-Woche» im Stuttgarter Willi-Bleicher-Haus / Gewerkschaftshaus. Heidi Scharf erinnerte in der Eröffnungsrede an die Härte des Arbeitskampfes und mit welcher Unerbittlichkeit dieser von der Seite der Arbeitgeber geführt wurde - etwa durch massenhafte Aussperrungen von Beschäftigten. Die Solidarität unter den Beschäftigten, Aufklärungsarbeit in die Gesellschaft hinein, das Zusammenwirken mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ebenso wie das breite Engagement von Kulturschaffenden im Streik waren wichtige Grundlagen dafür, dass der Arbeitskampf letztlich, wenn auch mit schmerzhaften Kompromissen, zum Erfolg geführt werden konnte. Dass der Kampf um die weitere Reduzierung der Arbeitszeit (30-Stunden-Woche als Ziel) als Kampf für mehr «Zeit für lieben, lachen, lernen, kämpfen» aktuell ist, wurde dabei ebenso deutlich. Die Rede von Heidi Scharf zur Ausstellungseröffnung findet ihr hier.

Unter dem «Motto Leben, lieben, lachen, kämpfen» stand schließlich auch das folgende Kulturprogramm. In einer multimedialen Revue erinnerten Bernd Köhler, der als Kulturarbeiter im Frühjahr 1984 mit der IG Metall-Revue «Es gibt ein Leben vor der Rente» zur Streik-Mobilisierung unterwegs war, und ewo2- das «kleine elektronische weltorchester» an die damaligen Kämpfe. Die Anwesenden wurden dabei nicht nur in die damalige Zeit zurück versetzt, sondern auch ermutigt, Kämpfe um die Arbeitszeit und für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen heute weiter zu führen.

Die Ausstellung ist bis zum 9. August 2024 im Stuttgarter Willi-Bleicher-Haus / Gewerkschaftshaus zu den dortigen Öffnungszeiten zu sehen (bis zum 29. Juni im 1. OG vor dem großen Saal, ab dem 1. Juli im Foyer im EG).

Am 29. Juni 2024 findet die Tagung «40 Jahre Kampf um die 35-Stunden Woche. Ein Blick zurück nach vorn» im Stuttgarter Willi-Bleicher-Haus / Gewerkschaftshaus statt: Gemeinsam mit dem DGB Baden-Württemberg, ver.di Baden-Württemberg, der Zeitschrift Sozialismus & Attac Deutschland - AG AG ArbeitFairTeilen.


«40 Jahre Kampf um die 35-Stunden-Woche: Weniger ist mehr»
UZ vom 24. Mai 2024

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news-51883 Thu, 11 Apr 2024 18:07:03 +0200 40 Jahre Kampf um die 35-Stunden-Woche https://bw.rosalux.de/news/id/51883 Ausstellung, Kulturveranstaltung und Tagung zum 40. Jahrestag der Tarifrunde für die Einführung der 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Druck- und Metall- und Elektroindustrie 1984 Die Rosa Luxemburg Stiftung Baden-Württemberg erinnert dieses Jahr mit zwei Veranstaltungen und einer Ausstellung an den Arbeitskampf um die Einführung der 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Druck-und Metall-und Elektroindustrie im Jahr 1984.

Zum 40. Jahrestag der Streiks für die 35-Stunden-Woche wollen wir an die damaligen Arbeitskämpfe erinnern, aber auch eine Brücke schlagen ins Hier und Heute und die aktuelle Debatte zu kollektiven Arbeitszeitverkürzungen. Nicht zuletzt wollen  wir mit unseren Veranstaltungen an unsere im Dezember 2023 und April 2024 überraschend verstorbenen Kolleg/innen und Genoss/innen Sybille und Jürgen Stamm und ihre gewerkschaftspolitische Arbeit erinnern.

Der Eintritt für beide Veranstaltungen ist frei - Spenden erbeten!

14. Mai 2024 (Di.) | 18:00 Uhr | DGB-Haus Stuttgart (gr. Saal)
Ausstellungseröffnung & Kulturprogramm: «Leben, lieben, lachen, kämpfen»
Am 14. Mai 1984 begann in 14 ausgewählten Automobilzulieferbetrieben des Bezirks Nordwürttemberg/Nordbaden der Streik für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Um 18 Uhr eröffnen wir eine Ausstellung im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, in der wir Fotos, Dokumente und Plakate aus dem Arbeitskampf zeigen, der sich in den folgenden Wochen entspann. Im Mittelpunkt des Abends steht ein musikalisch-literarischer Streik-Rückblick aus Ton- und Textbeiträgen, Musik, Liedern sowie Foto- und Filmprojektionen.

18:00 Uhr - Eröffnung der Ausstellung«1984 - Kampf um die 35-Stunden-Woche» mit Fotos von Christa Schnepf und Martin Storz sowie Original-Plakaten, Flugblättern und sonstigen Dokumenten aus der Zeit (Ausstellungsdauer bis 9. August).

Um 19:00 Uhr startet dann das Kulturprogramm «Leben, lieben, lachen, kämpfen», zusammengestellt von Bernd Köhler («Schlauch») der im Frühjahr 1984 mit der IGM-Revue «Es gibt ein Leben vor der Rente» zur Streik-Mobilisierung unterwegs war. Später dann wie viele andere MusikerInnen, vier Wochen im «musikalischen Streikeinsatz» für die IG Metall und die Gewerkschaft Druck und Papier, bei Streikversammlungen und vor den ausgesperrten Belegschaften.

Mitwirkende: Bernd Köhler (Konzept, Gesang, Gitarre), Joachim Romeis (Geige), Laurent Leroi (Akkordeon) und Margit Romeis (Rezitation, Text und Gesang).

20:30 Uhr - Gemütliches Beisammensein und Möglichkeit für Gespräche & Austausch

29. Juni 2024 (Sa.) | 10 - 18 Uhr | DGB-Haus Stuttgart (gr. Saal)
Tagung: «40 Jahre Kampf um die 35-Stunden Woche. Ein Blick zurück nach vorn»
Am Samstag den 29. Juni 2024, dem Jahrestag des Beginns der Urabstimmung über den sogenannten «Leber-Kompromiss» (den Schlichtungsspruch des ehemaligen Verteidigungsministers und IG Bau-Steine-Erden Vorsitzenden Georg Leber), wollen wir im Stuttgarter Gewerkschaftshaus im Rahmen einer überregionalen Tagung einen Blick zurück in die Zukunft wagen:

Was kann aus dem historischen Kampf um die 35-Stunden-Woche für eine neue Arbeitszeitoffensive gelernt werden? Welche organisationspolitischen Stärken aber auch Grenzen wurden in der damaligen Streikbewegung deutlich? Was wurde für zukünftige Arbeitskämpfe gelernt? Wie wurde die gesellschaftspolitische Dimension der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen in den gewerkschaftlichen Kämpfen aufgegriffen? Wie könnte dies heute, beispielsweise bündnispolitisch, geschehen? Und was ist aus schlussendlichen Umsetzung der 35-Stunden-Woche zu lernen? Zu diesen Fragen wollen wir Zeitzeug:innen und jüngere Aktive gleichermaßen in den Dialog bringen. Die Tagung soll dadurch einen Brückenschlag zwischen verschiedenen Generationen der Gewerkschaftsbewegung und solidarischer Wissenschaftler:innen ermöglichen.

Eine gemeinsame Veranstaltung von: Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, DGB Bezirk Baden-Württemberg, ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg, Zeitschrift «Sozialismus» und attac-AG ArbeitFairTeilen

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news-51823 Fri, 22 Mar 2024 08:47:44 +0100 Hält die «Brandmauer»? https://bw.rosalux.de/news/id/51823 Strategien gegen Rechts vor Ort in der Kommunalpolitik - Studie und Veranstaltungen Am 15. März stellten Anika Taschke und Steven Hummel der Öffentlichkeit die Studie «Hält die Brandmauer? Kooperationen mit der extremen Rechten in ostdeutschen Kommunen» vor. Dass das Thema die Menschen umtreibt, zeigt die breite Resonanz in den Medien - von der taz bis zur WELT.

Wir freuen und, die beiden Studienautor:innen für Veranstaltungen in Baden-Württemberg gewonnen zu haben. Zentrale Veranstaltung ist der Studientag «Hält die Brandmauer? Strategien gegen Rechts vor Ort in der Kommunalpolitik» am 13. April (10:30 - 17:00 Uhr) in Bad Cannstatt. Dort wollen wir zum einen mit allen Interessierten die Ergebnisse der Studie diskutieren und Schlussfolgerungen ziehen. Zum anderen wollen wir einen Überblick geben über rechte Netwerke und Strukturen in Baden-Württemberg. Schließlich wollen wir uns mit kommunalpolitisch Aktiven und Interessierten über Strategien des Umgangs mit rechten Kräften in kommunalen Gremien austauschen. Mitveranstalter sind das Netzwerk gegen Rechts Stuttgart sowie das Forum Linke Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. In einer Abendveranstaltung am 12. April (18:30 Uhr) in Mannheim wollen wir die Studie ebenfalls vorstellen und mit vor Ort Aktiven diskutieren. Mitveranstalter sind hier der Rosa-Luxemburg-Club Mannheim, die Fraktion LI.PAR.Tie. im Gemeinderat Mannheim sowie das Forum Linke Kommunalpolitik in Baden-Württemberg.


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news-51821 Thu, 21 Mar 2024 10:54:58 +0100 Alltag auf Kuba https://bw.rosalux.de/news/id/51821 Bericht zur Bildungsreise vom 5.-16. Februar 2024 Alltag auf Kuba – Bildungsreise der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg vom 5.-16. Februar 2024 in Kooperation mit dem Instituto de Filosofía (Havanna)

Fast täglich hört man schlechte Nachrichten aus Kuba. Es gibt Stromausfälle und Lebensmittelknappheit, viele junge Kubaner und Kubanerinnen wandern aus. Dem kubanischen Staat fehlen Devisen. Doch er finanziert auch weiterhin ein beeindruckendes Gesundheitssystem und ein vorbildliches Bildungswesen. Driftet das Land in die Katastrophe? Was ist übrig vom Geist der Revolution? Solchen Fragen widmete sich die Bildungsreise «Alltag auf Kuba» der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 4. bis zum 17. Februar unter der Leitung von Andreas Knobloch und Raul Zelik in Zusammenarbeit mit dem Instituto de Filosofía (Havanna).  27 Teilnehmende, vorwiegend aus Baden-Württemberg und Berlin, waren dabei. Hier der Reisebericht von Sahra Mirow, die die Reise für die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg begleitet hat

Montag, 5. Februar

Um 9.30 Uhr begann unsere Bildungsreise im Versammlungsraum der Casa Vera. Es gab noch eine Reihe organisatorischer Fragen zu klären und nach einer kurzen Kennenlernrunde starteten wir mit dem Programm.

Felix Valdés García vom Instituto de Filosofía hielt einen Vortrag zur kubanischen Geschichte, Denkweise und Politik. Wir bekamen einen Überblick über die kubanische Geschichte, beginnend mit der spanischen Kolonialisierung ab 1511, die zu einem Genozid der indigenen Bevölkerung - insbesondere auch durch eingeschleppte Krankheiten - führte. Das koloniale Modell war vor Ort durch Mangel und Korruption geprägt und bedeutete eine verschärfte Ausbeutung, die die Gegenwart bis heute prägt. Schwarze Sklaven wurden nach Kuba verschleppt, um auf den Zuckerrohrplantagen und in den Goldminen zu arbeiten. Diese Plantagenökonomie, bei der mittels Kapital und Arbeiter:innen von außerhalb auf fremden Boden Güter für den internationalen Markt hergestellt wurden, war höchst lukrativ. So wurde in Kuba noch vor Spanien eine Eisenbahn gebaut und die technischen Anlagen, speziell die zur Zuckerherstellung nötige Infrastruktur, waren auf dem neuesten Stand.

Im Laufe des 19. Jh. kam es zu Aufständen und Befreiungskämpfen gegen die spanische Kolonialherrschaft. 1868 gingen die versklavten Arbeiter:innen in Kuba noch mit Macheten gegen ihre Unterdrücker vor, dennoch bildete sich zum ersten Mal eine kubanische Identität heraus. 1898 – sehr spät erst – wurde Kuba unabhängig, Haiti hingegen schon 1804.

Nun ersetzten die USA Spanien zunehmend als Kolonialmacht. Von diesem neokolonialen Verhältnis befreite sich Kuba schließlich 1959 in der Kubanischen Revolution, die gegen alle Erwartungen erfolgreich war und zu massiven Verbesserungen für die kubanischen Arbeiter:innen führte. Bäuer:innen bekamen das Land, das sie bewirtschafteten, die Mieten wurden abgesenkt und die großen Wirtschaftsbereiche verstaatlicht. Diese einschneidenden Reformen bescherten Kuba innerhalb kürzester Zeit die Feindschaft der USA und damit auch die unsägliche Wirtschaftsblockade, die erhebliche Auswirkungen auf die kubanische Wirtschaft und Wissenschaft hat. Inzwischen besteht die Blockade seit über 60 Jahren.

Nachmittags ging es auf einen Rundgang durch die Stadt. Dr. Félix Julio Rodríguez von der Universität Havanna führte uns durch die Altstadt und erläuterte uns die Geschichte der Stadt anhand ihrer baulichen Strukturen.

Dienstag, 6. Februar

Heute starteten wir in der Casa Vera mit einem Vortrag zum Prozess der Aktualisierung des Wirtschafts- und Sozialmodells der kubanischen Revolution. Mirell Pérez und Yaima Eodriguez Alomá von der Grupo American Latina Filosofia social y Axiologia, eine Arbeitsgruppe am Instituto Filosofia, die sich mit ethischen Werten in der Produktion beschäftigen, erläuterten uns die Vielfalt der Formen von Eigentum und Management. Wir bekamen einen Überblick über die verschiedenen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung in Kuba. In der Phase 1959 bis 1990 wurde eine große Landreform durchgeführt. Als die Sowjetunion zusammenbrach, bedeutete dies auch tiefe Einschnitte für Kuba, die bis in die frühen 2000er anhielten.

Seit 2010 wird der Prozess der Aktualisierung der kubanischen Wirtschaft angegangen und so wurden schließlich durch die neue Gesetzesgrundlage von 2021 auch private Unternehmen zugelassen. Diese dürfen höchstens 100 Beschäftigte haben, im Gegensatz zu den Genossenschaften, die lediglich 10% der Genossenschafter:innen beschäftigen dürfen.

Nachmittags besuchten wir eine Wäscherei, die als Genossenschaft organisiert ist. Ursprünglich wollten die Genossenschafterinnen, es handelt sich ganz überwiegend um Frauen, auch Dienstkleidung herstellen, aber Stoffe sind in Kuba sehr schwer zu bekommen - diese werden überwiegend importiert - und so musste der Plan verworfen werden. Leider sind in Kuba viele Genossenschaften inzwischen verschwunden, einen Dachverband gibt es nicht. Kritisiert wurde, dass es keine Großhandelsstruktur für die Genossenschaften gibt, was den Einkauf erschwert. Nichtsdestotrotz stehen die Frauen hinter dem Genossenschaftsmodell und gestalteten ihre Wäscherei zu einem sozialen Ort aus, an dem neben der eigentlichen Dienstleistung auch Secondhandkleidung und andere Dinge ver- und gekauft werden können.

Mittwoch, 7. Februar

Heute fuhren wir in für den ersten Vortrag nach Havanna rein. Dr. José Matos Arévalo von der Fundación Fernando Ortiz hielt einen Vortrag zu kubanischer Kultur und ihren afrokubanischen Wurzeln.  Die Stiftung ist benannt nach Ortiz, ein bekannter Ethnologe, der stets die Pluralität Kubas betone. Tausende von schwarzen Menschen wurden nach Kuba verschleppt und versklavt. Sie kamen aus verschiedenen Ethnien und wurden untereinander gemischt, damit sie sich nicht verständigen konnten. Das erklärt, warum Spanisch auch heute noch die alleinige lingua franca ist. Bei Festen und Riten werden Teile afrikanischer Kulturkreise vermengt, die mit ihren Ursprüngen mitunter nur noch wenig gemein haben. So tanzen zum Beispiel in Afrika die Göttinnen und Götter getrennt, in Kuba tanzen sie alle gemeinsam.

Noch immer gibt es institutionalisierten Rassismus gegen Schwarze - obgleich sie einen erheblichen Anteil der Bevölkerung stellen - beispielweise wenn die afrikanischen Wurzeln der kubanischen Kultur nicht gleichberechtigt fortleben in der Geschichtsschreibung.

Nachmittags besuchten wir das Museo de Bellas Artes. Oscar Antuna, der stellvertretende Direktor des Museums erläuterte uns wichtige Meilensteine der kubanischen Geschichte und Kultur anhand diverser Malereien. 1913 gegründet, befindet sich das Museum seit 1953 in diesen Räumlichkeiten, dem Palacio de Bellas Artes, und zeigt Werke europäischer und lateinamerikanischer Kunst.

Donnerstag, 8. Februar

Heute ging es mit E-Bikes durch die Stadt. Wir durchfuhren die Stadtviertel Havannas bis nach Guanabacoa. An einer kirchlichen Schule übergaben wir einen Teil der mitgebrachten Medikamente als Spende, die von dort aus in die Gemeinde weiterverteilt werden. Wir besuchten die Finca Bacoretto, die Mehle selbst herstellt und wo wir ein großartiges Mittagessen bekamen. Anschließend besuchten wir den jüdischen Friedhof mit dem Grab von August Thalheimer. Thalheimer war Vorsitzenden der KPD und ging später in die KPO (KPD Opposition).

Freitag, 9. Februar

Vormittags besuchten wir das Proyecto Ciclo Ecopapel. Dieses Recycling-Projekt in Havanna wird von Frauen geleitet und beschäftigt sich mit dem Kreislauf von Ressourcen. So wird für die Wiederaufbereitung von Gebrauchsgegenständen beispielsweise Regenwasser verwendet und es gibt einen kleinen Secondhandladen für die Nachbarschaft. Unterstützt werden sie hierbei von der Stiftung Antonio Núnez Jiménez de la Naturaleza y el Hombre, benannt nach dem bekannten Soziologen. 

Nachmittags ging es zum Gespräch mit zwei Unternehmerinnen. Zuerst besuchten wir das Sabor Café, wo 35 Menschen beschäftigt sind. Rum, Kaffee und Tabak sind in Kuba zu 100% Staatsbesitz, der hier verkaufte Kaffee kommt daher zum Teil aus Venezuela. In Kuba gibt es zwar guten Kaffee, eine richtige Kaffeekultur hingegen aber nicht. Das liegt auch daran, dass die Maschinen - beispielsweise zum Rösten und Zubereiten - fehlen. Vor der Corona-Pandemie hatte sich eine Art „Membership-Struktur“ zum Einkauf herausgebildet, doch Corona legte diese flach und das Café musste sich neu organisieren. Werden Güter aus dem Ausland gebraucht, sind diese entsprechend teuer und es braucht ein Auslandskonto. Dadurch steigt die soziale Ungleichheit, denn Unternehmen mit Auslandskonten können deutlich günstiger importieren. Zudem hat Kuba derzeit das größte Haushaltsdefizit seit 30 Jahren und die Regierungen versucht dies über Steuererhöhungen zu kompensieren.

Anschließend besuchten wir die Mipymes Innatus (von innato=aus dir geboren, wächst mit dir). Hier werden handgenähte Designer Kleidung angeboten, die bezahlbar sein soll für die Menschen. Alle Stoffe wurden importiert, da in Kuba keine Stoffe – zumindest keine qualitativ hochwertigen - hergestellt werden. Kuba ist ein geschlossener Markt, hier gibt es kein H&M und ähnliche Fast Fashion. Es gibt zwar eine staatliche Textilproduktion, aber die produziert vornehmlich für Sport und Militär. Mit der Revolution wurden alle Modelabels und Werkstätten geschlossen, andere Sektoren wie Bildung und Gesundheit priorisiert. Es gibt keine Modeindustrie und nur eine staatliche Designschule.

Zum Mittagessen ging es in die Oasis Nelva, die weder ein Restaurant noch ein Geschäft ist, sondern beides - und zwar mit sozial-ökologischem Anspruch. Als soziales Entwicklungsprojekt will diese Oasis Nelva positiv in die Nachbarschaft und Gemeinschaft hineinwirken.

Nachmittags ging es zum Gespräch mit Adriana Heredia, Gründerin und Geschäftsführerin von Beyond Roots. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit der Förderung afrokubanischer Kultur auf allen Ebenen. Der Souvenirladen entstand aus dem Bedürfnis heraus, sich ein Andenken an die Erfahrung afrokubanischer Kultur mitzunehmen. Ein solcher Laden existierte nicht, daher begann Adriana Heredia und ihre Schwester mit einem Bauchladen, nun betreibt sie einen wunderschönen kleinen Laden in Havanna. Sie wollten damit nicht nur ein Zeichen für afrokubanische Kultur setzen, sondern auch zeigen, dass ein solches Projekt in Kuba funktionieren und ein Einkommen sichern kann. Denn leider verlassen viele junge Menschen nach der Uni das Land. Als Unternehmerin beschäftigt Heredia nun 44 Menschen, überwiegend Frauen (82%).  Der Name Beyond Roots ist antirassistisch zu verstehen und bedeutet, dass Menschen mehr als ihre Herkunft sind und Identitäten wachsen und sich entwickeln. 

Anschließend besuchten wir die Aula Ecologica. Die Aula Ecologica nimmt sich Orten jenseits des Tourismus an. Die Betreiber sind Teil eines Netzwerks, das mit den armen Menschen in den Vierteln Havannas arbeitet, um den Defiziten hier etwas entgegenzusetzen. Das Netzwerk besteht aus Studierten, die sich zusammengeschlossen haben, um eine kulturelle Transformation und eine Verbesserung der sozialen Lage der Menschen zu erreichen. Als lokales Entwicklungsprojekt bringt die Aula die Nachbarschaft zusammen und will dadurch auch politisch wirken. Die Aula ist ein ökologisches Projekt, das beispielsweise eigene Fahrräder und Spielzeug baut. Ein weiteres Projekt umfasst eine größere Fläche, auf der bereits die ersten Solarpanele stehen. Hier soll in der Zukunft Anbaufläche entstehen.

Der Name Aula (eigentlich Schulzimmer) spielt auf eine Kritik des pädagogischen Systems an und soll zeigen, dass Lernen auch anders gehen kann als reiner Frontalunterricht im Stil der 50er und 60er Jahre. Zudem will dieses Projekt Kenntnisse über Selbstversorgung wieder stärker in den Fokus zu rücken, da die Menschen in den Städten zunehmend entfremdet leben und dieses Wissen verloren haben.

Montag, 12. Februar

Heute besuchten wir die jüdische Gemeinde in Havanna. Die jüdische Gemeinde in Havanna-Vedado ist die größte in Kuba. Ende des 19.-Anfang des 20. Jh. kamen die ersten Jüdinnen und Juden aus den USA nach Kuba, 1906 gründete sich dann die Comunidad Hebrea de Cuba, die jüdische Gemeinde Kubas. 1914 wurde die erste richtige Synagoge in der Altstadt Havannas gebaut, das Gebäude ist heute aber nicht mehr erhalten. 

Die jüdische Gemeinde ist nicht groß, dafür aber sehr laut wie Fidel Castro einmal wohlwollend anmerkte. Es gibt eine Sonntagsschule, jüdische Tanzgruppen und Sportaktivitäten. Sicherheitspersonal braucht die Synagoge nicht, Antisemitismus sei auf Kuba schlichtweg kein Problem wurde uns gesagt. Verabschiedet wurden wir mit dem Hinweis, dass wir die erste deutsche Gruppe waren, die die Synagoge jemals besucht habe.

Nachmittags ging es in das Instituto de Filosofía, wo Dr. Georgina Alfonso über Feminismus auf Kuba und das neue Familiengesetz referierte. Der marxistische Feminismus auf Kuba hat drei wichtige Beiträge zur zeitgenössischen Debatte geliefert. Zum einen, dass der Widerstand gegen die kapitalistische Ausbeutung auch Widerstand gegen Patriarchat und Kolonialismus ist. Diese Kämpfe gilt es zu verbinden und so eine gemeinsame Perspektive der Unterdrückten zu schaffen. Dazu gehört auch, verschiedene Identitäten anzuerkennen und zuletzt muss ein auf die Zukunft gerichtetes Projekt auf den Alltagspraktiken aufbauen.

Kuba ist eine machistische Gesellschaft und die Vorstellung, mit der Revolution sei das Patriarchat abgeschafft, stimmt so leider nicht. Zwar gibt es Arbeitsgruppen, die explizit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geschaffen wurden, dennoch währen die patriarchalen Strukturen fort. Gleichzeitig hat Kuba jüngst das modernste Familiengesetz weltweit verabschiedet - ein Projekt, das insbesondere von jungen Frauen gefordert und vorangebracht wurde. Das neue Gesetz stärkt nicht nur die Rechte von Frauen, älteren Menschen und Pflegenden, es öffnet die Ehe zudem für alle Paare und reformiert das Adoptionsrecht.

Dienstag, 13. Februar

Gesundheit ist in Kuba ein universelles Menschenrecht, und wird auch so finanziert. Dr. Enrique Beldarraín stellt das kubanische Gesundheitssystem vor, das allen Kubanerinnen und Kubanern kostenlos zur Verfügung steht. Dabei kommen landesweit auf 900 Einwohner:innen ein:e Ärzt:in - eine sagenhaft gute Quote, gerade auch mit Blick auf das deutsche Gesundheitssystem. In jeder Nachbarschaft gibt es Hausärzt:innen und eine Gesundheitsstation, in jedem Bezirk ein Krankenhaus. Das Studium der Medizin ist kostenlos und auch die Versorgung im ländlichen Raum ist äußerst engmaschig und kostenlos für alle.

Anschließend bekamen wir einen Vortrag über die Entwicklung der kubanischen Covid-Impfstoffe von Dr. Daniel Rivera. Kuba entwickelte fünf (!) gut wirksame, bei normalen Kühlschranktemperaturen transport- und lagerfähige Impfstoffe, darunter einen für Kinder ab zwei Jahren. Kuba muss zwar die Grundstoffe importieren, produziert aber eigene Medikamente, beispielsweise gegen Krebs und HIV. Damit hat Kuba die einzige Biotech-Fabrik in Lateinamerika gegen Krebserkrankungen.

Nachmittags ging es zum Proyecto de desarrolle local Cuba Libro, zu einem Austausch mit kubanischen und US-amerikanischen Studierenden. Das Cuba Libro wurde von einer US-Amerikanerin gegründet. Die anwesenden Diskutant:innen waren eine Ärztin, die das Studium abgeschlossen hatte, eine Übersetzerin für Französisch und Englisch und ein Philosophie-Professor. Diesen konnten wirFragen stellen, die sie uns ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen beantworteten.

Mittwoch, 14. Februar

Heute ging es um Landwirtschaft und Ernährungssouveränität. Dazu gab uns Volker Klima zum Einstieg einen Vortrag über die Situation in Kuba. Während in Europa das Thema Ernährungssouveränität erst in den letzten Jahren aufkam, wird diese in Kuba schon lange praktiziert, sowohl was die Verfügbarkeit als auch den Zugang zu Lebensmitteln betrifft. Der Boden in Kuba gehört der Allgemeinheit, Bodenpreise gibt es nicht.

Anschließend ging es zur Finca Marta. Dort erklärte uns Fernando Funes, wie er mit seiner Familie aus einer ehemals verlassenen Finca einen ökologischen Landwirtschaftsbetrieb aufgebaut hat. Sie wurde vor 12 Jahren als Beitrag zur kubanischen Landwirtschaft gegründet mit dem Ziel, weitere Menschen in den Betrieb zu integrieren. Inzwischen arbeiten 40 Personen hier. Viele aus der Familie haben studiert, Biologie und Agrarökologie. Benannt ist die Finca nach der Mutter Marta, die 2007 verstarb und ihren Söhnen als Biologin viel beigebracht hat. Nach und nach konnte die Familie das Land urbar und bereit für eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft machen. Heute ist die Finca Marta ein erfolgreicher Landwirtschaftsbetrieb, der viele Produkte herstellt - für Fernando Funes ein wichtiger Beitrag für Kuba und für die Menschlichkeit. 

Nachmittags besuchen wir das Martin-Luther-King-Zentrum (CMLK). Das CMLK ist ein Sammlungszentrum für linke und soziale Bewegungen in Lateinamerika - eine von der Befreiungstheologie geprägte, aber nicht-religiöse Einrichtung. Dabei sieht sich das CMLK in der Tradition der internationalen Solidarität und möchte Glauben und Revolution zusammenbringen. Hier findet Bildungs- und Vernetzungsarbeit sowie internationaler Austausch statt. Dabei steht die Partizipation der Menschen als Protagonist:innen in der Gesellschaft im Vordergrund. Die Einrichtung versteht sich als sozialistisch-demokratische Einrichtung, die mit einer Kritik von links das sozialistische Projekt auf Kuba stärken und erhalten will.

Donnerstag, 15. Februar

Heute sind wir im Gespräch mit Oscar Fernández zum aktuellen Stand, zu den Herausforderungen und den Perspektiven der kubanischen Wirtschaft. Fernández war für 18 Jahre Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Havanna, inzwischen leitet er ein kleines Unternehmen, das Trockenobst exportiert. Er schildert, welche transformatorischen Prozesse durch die Öffnung der kubanischen Wirtschaft für kleine private Unternehmen (Mypimes) in Gang gesetzt wurden. Dieser Prozess wurde von Raul Castro initiiert, anfangs allerdings noch mit einer Positivliste, die nur wenige Bereiche für den Privatsektor öffnete. Seit 2021 gibt es nun eine Negativliste, die beispielsweise öffentliche Infrastruktur wie Bildung und Gesundheit sperrt, alle anderen Bereiche aber freigibt. Zwischen 2021 und 2023 sind dadurch rund 10.000 Privatunternehmen in Kuba entstanden. Der Privatsektor kann mehr importieren und schafft damit mehr Konkurrenz, was die Preise senkt. Geschätzt erwirtschaften die Mypimes inzwischen 15% des BIP, allerdings sind hier rund 40% der Menschen beschäftigt. Da die staatlichen Löhne in Kuba zu gering sind, um auskömmlich zu sein, brauchen die Menschen in der Regel einen Zusatzverdienst, auch Ärztinnen und Ärzte verdienen mit 4000 Pesos zu wenig. Da ist eine Anstellung in einer Mypimes mit den deutlich höheren Löhnen durchaus attraktiv, obwohl das bedeutet, in ein hierarchisiertes und potenziell ausbeuterisches Arbeitsverhältnis zu gehen. In Kuba wächst zurzeit nicht nur die Armut, auch der Reichtum wächst und damit die soziale Ungleichheit. Der Staat müsse, so Fernández, Armut bekämpfen, aber gleichzeitig auch die Wirtschaft modernisieren. Es sei problematisch, dass sich die Gesellschaft ändere, aber nicht die Institutionen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Teilprivatisierung der Wirtschaft die ökonomischen Probleme Kubas lösen kann, die durch den Einbruch des Tourismus enorm sind. Kuba gibt rund 60% des Haushaltes für Soziales aus, allen voran Gesundheit und Bildung. Das gilt es zu erhalten und gleichzeitig dem Druck zur kapitalistischen Transformation zu widerstehen.

Im Anschluss besuchen wir die mipyme CubaModela. Der Gründer und Geschäftsführer kam kurz vor der Pandemie zurück nach Kuba, um sein E-Commerce Unternehmen aufzuziehen. Dafür kopiert er erfolgreiche Strategien aus anderen Ländern und implementiert diese in Kuba, beispielsweise eine Art Schneeballsystem als Marketinginstrument. Sein Ziel ist der Aufbau eines „kubanischen Amazons“.

Freitag, 16. Februar

An diesem letzten Tag fuhren in ein Standhaus für die abschließende Auswertung. Wir danken an dieser Stelle ganz besonders Raul Zelik und Andres Knobloch, für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Begleitung der Bildungsreise.

Kuba ist ein widersprüchliches Land, voll der Pracht und des Zerfalls, mit großen wirtschaftlichen Herausforderungen und großen Errungenschaften, die es zu bewahren gilt. Diese Bildungsreise sollte einen Einblick in die verschiedenen Widersprüchlichkeiten und in das Leben auf Kuba geben.

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news-51810 Wed, 20 Mar 2024 10:32:04 +0100 Freiburger Bündnis Rosa Luxemburg-Tafel https://bw.rosalux.de/news/id/51810 Friedenstafel im Freiburger Stadtgarten gefordert Zum 110. Mal jährte sich am 7. März 2024 die Antikriegsrede Rosa Luxemburgs in der ehemaligen, 1944 zerstörten, Festhalle in Freiburg. Etwa 80 Bürger:innen versammelten sich am 7. März im Stadtgarten. Seit Jahren fordert ein Freiburger Bündnis eine Friedenstafel im Stadtgarten Freiburg, die an die historische Antikriegsrede Rosa Luxemburgs erinnern soll.

Hier finden Sie einen Bericht der Freiburger Kultur- und Veranstaltungszeitung «Joker» zu der Aktion.

Hier finden Sie einen Bericht von Baden TV Süd.

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news-51802 Mon, 18 Mar 2024 11:31:46 +0100 Gegen den Strom https://bw.rosalux.de/news/id/51802 Zum 140. Geburtstag von August Thalheimer Während eines Hurrikans wurde der Leichnam auf dem jüdischen Friedhof Havannas eilig zugeschaufelt, noch bevor die aus gerade drei Personen bestehende Trauergesellschaft am Grab ankam. Die Rückkehr nach Deutschland war dem kritischen Kommunisten ebenso verweigert worden wie eine Arbeit als Lehrer in Württemberg. Das Klima setzte ihm zu, für einen qualifizierten Arzt fehlte das Geld, und so starb August Thalheimer am 19.September 1948 an einer Herzschwäche.

In Deutschland wurde sein Tod kaum beachtet, dabei galt er doch «als bedeutendster Theoretiker der KPD nach 1919» (Disput 7/2004), war einer der Führer der Novemberrevolution im Südwesten, designierter Finanzminister, dann in der Nachfolge seiner Freundin und Lehrerin Rosa Luxemburg Redakteur der «Roten Fahne».

Geboren wurde Thalheimer am 18.März 1884 in Affaltrach, einem kleinen Dorf in der Nähe von Heilbronn. Schon der Vater war Sozialdemokrat, befreundet mit Clara Zetkin und Fritz Westmeyer, in deren anregendem Umfeld August und seine Schwester Berta aufwuchsen. Eine Hochschullaufbahn blieb dem linken Philologen versperrt, so blieb nach dem Volontariat bei der «Leipziger Volkszeitung» nur die Arbeit für sozialdemokratische Zeitungen, «Die neue Zeit», «Die Gleichheit», als Redakteur in Göppingen und Braunschweig.

1915 war er, neben Luxemburg, Zetkin und Mehring, einer der Autoren der ersten Nummer der «Internationale», legte offen, wie das Volk mit dem Mythos «Verteidigungskrieg» mobilisiert würde, während die Eliten diskutierten, wie «der Anteil an der Weltmacht und am Weltmarkt» ausgebaut und die Dominanz Deutschlands in der künftigen europäischen Ordnung gesichert werden könne. Am 1.1.1916 konnte er noch an der Gründungskonferenz der Spartakusgruppe im Rechtsanwaltsbüro von Karl Liebknecht teilnehmen, bevor er wie die meisten Kriegsgegner eingezogen wurde, nach einer Verwundung kurzzeitig als Vertretungslehrer an der Oberrealschule Reutlingen eingesetzt, aber schon im Oktober 1918 entlassen wurde – da wirkte er mit den Stuttgarter Spartakisten, einer gut vernetzten Gruppe junger Facharbeiter, schon an der Vorbereitung der Revolution, getragen von «einer Bewegung der allgemeinen Stimmung», verursacht durch die «Tatsachen des Krieges und der russischen Revolution», so Thalheimer in einem Brief an seine wegen ihrer antimilitaristischen Tätigkeit verurteilte Schwester Berta. Mitte November holte ihn Luxemburg nach Berlin, um dort die sehr schwache Spartakusgruppe als Redakteur der «Roten Fahne» zu verstärken.

Wie viele der jungen Spartakisten neigte er zum Voluntarismus. In den russischen Revolutionären sah Thalheimer Autorität und Vorbild. Eine Jahr später schaute er, inzwischen Chefredakteur der Zentralorgane, selbstkritisch zurück: «Die Blicke starrten wie gebannt auf das Vorbild der russischen Revolution». Mahnungen, die deutsche Entwicklung könnte einen verwickelteren Gang oder gar eine Rückschreiten beinhalten «schlugen auf taube Ohren der Vorwärtsstürmenden» (Die Internationale 15/16, 1.11.1919). 1921 galt das auch für Thalheimer, der die missglückte Märzaktion, von Clara Zetkin intern als Putschismus kritisiert, mit einer «Offensivtheorie» rechtfertigte. Lenin gibt ihr beim III. Weltkongress der Komintern recht, kritisiert die Offensivtheorie scharf als Ausdruck einer «Kinderkrankheit des linken Radikalismus». Als vorbildlich stellt Lenin eine Politik dar, in der die italienischen Kommunisten die Sozialisten und Gewerkschaften zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus mobilisiert hatten (Brief vom 14.8.2021).

Diesen Hinweisen folgte Thalheimer trotz der Schwankungen der kommunistische Internationale, wurde nun zum Theoretiker der «Einheitsfrontpolitik» und eines Programms von «Übergangsforderungen» wie der Produktionskontrolle und Sachwerterfassung, mit denen an das Wollen der sozialdemokratischen Arbeiter und Arbeiterinnen angeknüpft werden sollte. Angestrebt wurde eine «Arbeiterregierung» von Sozialdemokraten und Kommunisten, wie sie 1923 in Sachsen und Thüringen angebahnt wurde und vom Reichspräsidenten Ebert umgehend durch Einsatz der Reichswehr beseitigt wurden. Moskau forderte einen Aufstand, für den aber die Voraussetzungen fehlten. Nach dem Rückzug galten Thalheimer und der Parteivorsitzende Heinrich Brandler als Schuldige, wurden als Parteiführer abgewählt, für vier Jahre im Hotel Lux in Moskau «kominterniert», wurden Mitglieder der KPR (B) und mussten sich zusammen mit Karl Radek vor einem «Tribunal» verantworten. Das Verfahren vor der Kontrollkommission der KPR (B), bei dem Thalheimer einen Genossen ohrfeigte, der sich als Sympathisant eingeschlichen hatte und nun als Kronzeuge auftrat, endete mit einem Betätigungsverbot in der KPD wegen fraktioneller Tätigkeit. Ausgerechnet mit dem schon verfemten Trotzki, der doch zu ihren schärfsten Kritikern gehörte, sollten sie konspiriert haben. Thalheimer unterrichtete nun an der Sun-Yat-Sen-Universität vor allem chinesische Studenten. 1927 wurden seine sechzehn in sehr einfacher Sprache formulierten Vorträge als «Einführung in den dialektischen Materialismus» publiziert. Hermann Dunker gab noch den Vortrag Thalheimers über Spinoza vor der Kommunistischen Akademie am 2.4.1927 heraus, der 1656 wegen seines freien Denkens aus der jüdischen Gemeinde verbannt worden war und betonte im Vorwort dessen Bestehen auf der Freiheit zu philosophieren. Davon konnte in der Sowjetunion nach der Entmachtung des «rechten» Bucharin, 1928 offiziell noch Vorsitzender der Komintern, nicht mehr die Rede sein. Der neuerliche ultralinke Schwenk Stalins gegen die «Rechten» wurde auf die zu «bolschewisierende» KPD übertragen, auch hier galten nun die «Rechten und Versöhnler» als Parteifeinde und die «sozialfaschistische» Sozialdemokratie als Hauptfeind der KPD.

Dies musste auf den schärfsten Widerspruch Thalheimer stoßen, der im Anschluss an die erste Versuche zur Beschreibung der Besonderheiten des Faschismus in Italien durch Clara Zetkin an einer marxistischen Einschätzung arbeitete. Vergeblich hatte Thalheimer versucht, dies in die Programmdiskussion von Komintern und KPD einzubringen. Er warnte zunächst vor allem vor der Ausdehnung des Begriffes der Faschismus auf alle Formen der Reaktion und der bürgerlichen Herrschaft, wodurch die Sozialdemokratie zum «linken Flügel» des Faschismus erklärt werde. Durch einen Vergleich der populistisch-diktatorischen Herrschaft Napoleons III. (Bonapartismus) die Marx analysiert hatte, und des italienischen Faschismus arbeitet er Merkmale des Faschismus heraus, die nationalen Mythen, den Scheinkampf gegen die parlamentarische Korruption, Milizen und charismatische Führer einerseits,  die Aushöhlung der Demokratie in Krisensituationen, die Verschanzung der Staatsmacht, schließlich die offene Diktatur mit dem Ziel imperialistischer Ausdehnung, eine Führerdiktatur, in der eine geschwächte und gespaltene Bourgeoisie ihre politische Macht aufgibt, um ihre ökonomische zu bewahren. Er verweist aber auch auf die Lernfähigkeit der Eliten, «den Erziehungswert militärischer Niederlagen». So habe Frankreich nach der krachenden Niederlage Napoleons III. 1870 gegen Preußen und der Niederwerfung der Pariser Kommune unter parlamentarischer Herrschaft zu einer Stärke gefunden, die erst 1914 die Abwehr des deutschen Vormarschs ermöglichte. Den «Erziehungswert» der militärischen Niederlage 1945 für die deutschen Eliten kann man als Unterordnung unter die Dominanz Amerikas bei zunächst sehr eingeschränkten parlamentarischen Kompetenzen unschwer beobachten.

Mit Mühe gelang 1928 die Rückkehr nach Deutschland, wo Brandler und Thalheimer mit einem «Aktionsprogramm» auf eine realistische Strategie hinwirken wollten. In der Reaktion allerdings wurden sie und in der Folge hunderte in Betrieben und Gewerkschaften verankerte Kommunisten wegen fraktioneller Tätigkeit ausgeschlossen. Die aus diesen Ausschlüssen entstehende KPD-Opposition mit ihren etwa 5.000 gut geschulten Mitgliedern wandte sich gegen die Spaltungspolitik der «Roten Gewerkschaftsopposition». Thalheimer wirkte als Redakteur der Wochenzeitschrift «Gegen den Strom», in der er seine Analyse des Faschismus vertiefte. 1967, in einer Zeit des Erstarkens des Neofaschismus der NPD, gab Wolfgang Abendroth, der selbst aus der KPO kam und stets mit großem Respekt von Thalheimer sprach, erstmals wieder Thalheimers Faschismusanalyse in Buchform heraus («Faschismus und Kapitalismus»), 1973 folgte die Sammlung «Der Faschismus in Deutschland». Sie ist bei der herausgebenden «Gruppe Arbeiterpolitik“, die sich in der Tradition der KPD-O sieht, noch immer erhältlich – wie auch viele andere Broschüren Thalheimers.

Die KPO forderte vergeblich eine Einheitsfront gegen den stärker werdenden Faschismus, wurde aber auch selbst durch Abspaltungen geschwächt und in der Emigration zunehmend isoliert. Doch selbst unter widrigsten Umständen schrieb Thalheimer in Kuba Analysen, die aus der zeitgenössischen Publizistik herausragen, von 1945-1948 «Internationale monatliche Übersichten» (Nachdruck 1992), die in kleiner Auflage hektografiert und unter den nach dem Naziterror verbliebenen Diskussionskreisen kursierten, aus denen sich dann die kleine Gruppe Arbeiterpolitik bildete.

1945 analysierte Thalheimer die «Potsdamer Beschlüsse», bei denen mit den Methoden der Geheimdiplomatie über das Schicksal der Völker entschieden worden sei, Grenzen und Millionen Menschen «verschoben» wurden. Klar verweist er schon 1945 die Konsequenzen der Teilung, durch welche die Besatzungszonen sich zu Aufmarschgebieten der absehbaren Blockkonfrontation und Quellen für «Hilfstruppen für ihre eigenen Ziele» entwickeln müssten.

1946 schrieb er über die „Grundlinien und Grundbegriffe der Weltpolitik nach dem 2. Weltkrieg». Er warnte davor, dass die stalinsche Methode der sozialistischen Ausdehnung unter Missachtung des «nationalen Selbstgefühls» und «den Gewohnheiten der proletarischen Demokratie», dass der Versuch, die Fremdherrschaft «dauernd zu machen» nur enden könne mit einer Schwächung für die erobernde Sowjetunion und des internationalen Sozialismus und Kommunismus.

Doch diese Broschüren fanden nur in kleinen Kreisen innerhalb der Gewerkschaften Verbreitung. Erst im Zuge der wilden Streiks, der Studentenbewegung und einer neofaschistischen Welle entstand neues Interesse. 1978 lud Theodor Bergmann in Stuttgart zu einer Tagung «50 Jahre KPD (Opposition)» ein und veröffentlichte bis zu seinem Tod eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten zur KPD-O und auch zu August Thalheimer, 2004 etwa «Die Thalheimers. Geschichte einer Familie undogmatischer Marxisten». Wolfgang Abendrot weckte Interesse durch seine Biografie «Ein Leben in der Arbeiterbewegung» (1976) und veröffentlichte Arbeiten zu Thalheimer und Brandler für ein breiteres Publikum. Für die «Marburger Schule» und Frank Deppe war Thalheimer stets ein «Denkpartner». Anfang der 90er Jahre entstanden, oft ermutigt von Theodor Bergmann, neue Forschungsarbeiten zu Thalheimer.

Die aktuelle Rechtsentwicklung jedenfalls sollte anregen, an Thalheimers Analysen anzuknüpfen. Zu selten ist es der Linken gelungen, wie die Eliten aus Niederlagen zu lernen.

Erhard Korn, 18.03.2024

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news-51790 Wed, 13 Mar 2024 10:50:06 +0100 Sozialismus als Alternative https://bw.rosalux.de/news/id/51790 Bericht zu den Theodor Bergmann Lectures 2024 Ökologischer und demokratischer Sozialismus als Leitbild gegen Rechts: Die Theodor Bergmann Lectures 2024 der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg

Im Jahr 2016 konnte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg zu Ehren des 100. Geburtstages ihres Freundes und Ratgebers Theodor Bergmann im Stuttgarter Waldheim Clara Zetkin ein Kolloquium ausrichten, das sein politisches und wissenschaftliches Leben als Antifaschist, antistalinistischer Kommunist, Agrarwissenschaftler und Internationalist würdigte. Am 12. Juni 2017 ist Theodor Bergmann verstorben. Mit den jährlich stattfindenden Theodor Bergmann Lectures halten wir sein politisches Erbe lebendig, indem wir die zentralen Herausforderungen für heutige linke Politik diskutieren, die sein Denken vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Erfahrungen immer bestimmt haben.

Die siebten Theodor Bergmann Lectures am 10. März 2024 in Stuttgart gingen der Frage nach, wie die Linke mit dem Leitbild eines grünen Sozialismus ein «Hoffnungsszenario» (Dieter Klein) entwerfen und popularisieren kann, das in der Lage ist, soziale Bewegungen zu verknüpfen, Kämpfe zu orientieren und den spaltenden Erzählungen der Rechten ein inklusives und solidarisches Projekt entgegenzusetzen und damit deren Einfluss in der Gesellschaft zurückzudrängen. In den massenhaften Protesten gegen neurechte «Remigrations»-Pläne sah Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift «Sozialismus», ein Mut machendes Ereignis gesellschaftlicher Mobilisierung zur Verteidigung der Demokratie, das es zu verstetigen und mit weiteren linken Inhalten zu verbinden gelte. Um dauerhaft wirksam zu sein, müsse der Protest mit der Organisierung einer politischen Bildungsoffensive verbunden werden, die Menschen mit ihren Erfahrungen im Alltag und in den Betrieben anspricht. Dass linke Politik am Ziel des Sozialismus festhalten und die Klassenbasis des linken Projekts gerade angesichts der Realitäten einer «demobilisierten Klassengesellschaft» (Klaus Dörre) bewahren muss, diese Einschätzung teilte Richard Detje mit Dieter Klein.

Das langjährige Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung Dieter Klein stellte in seinem Beitrag Konturen eines modernen Sozialismus-Konzepts vor, die dort in den letzten Jahren entwickelt wurden. Moderne sozialistische Politik halte am Ziel einer sozialistischen Gesellschaftsordnung fest, stelle Kämpfe um soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt, beharre auf der Notwendigkeit, die kapitalistischen Eigentums- und die sich aus diesen ergebenden Herrschaftsverhältnisse umzuwälzen und betone das Kommunistische des sozialistischen Projekts. Gleichzeitig müssten diese Prinzipien dialektisch mit Widersprüchen vermittelt werden. Kollektiveigentum müsse die Einflussnahme des Einzelnen und sozialer Gruppen ermöglichen und auf individuelle Bedürfnisbefriedigung abzielen. Die Freiheit des Einzelnen sei die Bedingung der Freiheit aller und nicht umgekehrt, individuelle Menschenwürde konstitutives Element sozialistischer Vergesellschaftung, Frieden und eine intakte Umwelt Grundlage einer Gesellschaft, die allen gleiche Teilhabe an ihren materiellen Grundlagen und damit individuelle Selbstentfaltung ermögliche. Kulturvoll und solidarisch innerhalb von Widersprüchen, die aus der Struktur der Gesellschaft selbst resultierten, Politik zu machen, nach innen wie nach außen und nicht den eigenen Standpunkt als einzig richtigen zu verabsolutieren, müsse die Linke wieder und immer wieder neu lernen, wenn sie eine Zukunft haben wolle.

Die Vermittlung einer Politik der sozialen Gerechtigkeit mit einer Politik der ökologischen Nachhaltigkeit ist ein Anliegen, das der Jenaer Soziologe Klaus Dörre seit Jahren als Wissenschaftler und politisch eingreifender Intellektueller vorantreibt. Linke Politik auf der Höhe der Zeit müsse die «ökonomisch-ökologische Zangenkrise» des globalen Kapitalismus in ihrer Dringlichkeit ernst nehmen. Ein Kapitalismus, dem der Weg, durch Wachstum soziale Konflikte zu befrieden zunehmend verstellt werde, tendiere dazu, Zuflucht zu autoritären «Lösungen» zu nehmen und erkämpfte demokratische und soziale Errungenschaften anzugreifen. Auf der anderen Seite ergäben sich in dieser Krisenkonstellation Chancen für neue Klassenbündnisse zwischen gewerkschaftlich-betrieblichen, auf Auswege aus der Klimakrise orientierten und parteilinken Akteuren, deren Anliegen in eine gemeinsame neue linke Erzählung fließen müssten. Die Überschriften einer solchen verbindenden Erzählung könnten lauten: Stärkung des Öffentlichen, kollektive Verfügung über die zentralen Entscheidungen der Produktion sowie die Entwicklung einer gemeinwohl- und gebrauchswertorientierten Qualitätsproduktion langlebiger Güter.

Im abschließenden Teil der Theodor Bergmann Lectures wurden verschiedene Einstiegsprojekte für die Wiedergewinnung sozialistischer Handlungsfähigkeit diskutiert. Ajla Salatovic, aktiv bei Fridays for Future Stuttgart und in der Kampagne #Wirfahrenzusammen, gab einen Einblick in die Praxis der Kampagne, in der ver.di und Aktivist:innen aus der Klimabewegung einen neuen Schulterschluss erproben und an dem arbeiten, was Klaus Dörre den «climate turn» der Arbeiterbewegung und den «labour turn» der Umweltbewegung nennt. Der Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg Philipp Frey, der sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit mit Theorie und Praxis von Arbeitszeitverkürzung beschäftigt, berichtete über positive Erfahrungen mit der Einführung einer 4 Tage-Woche – international und in Deutschland. Er plädierte dafür, die Forderung nach einer substantiellen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu einer zentralen Forderung der Linken für die nächsten Jahre zu machen. Hierbei handle es sich um eine mobilisierungsfähige Forderung im Hier und Jetzt mit gleichzeitig utopischem Überschuss. Mit ihr lasse sich an einem verallgemeinerungsfähigen, branchenübergreifenden Interesse ansetzen und so Klassenmacht aufbauen und zugleich könne damit an Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit angeknüpft werden. Und schließlich vermittelten Kämpfe um Arbeitszeitverkürzung das individuelle Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung über das eigene Leben mit einem kollektiv geteilten arbeitsmarkt- und verteilungspolitischen Gut der gesamten Arbeiterklasse. Axel Burkhardt, Wohnraumbeauftragter in Tübingen, stellte dar, welche Herausforderungen sich Kommunen stellen, wenn sie versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass das Wohnen für die Mehrzahl der Menschen wieder leistbar wird. Auch hier wurde deutlich, dass das Freiheitsgut Wohnen nur dann im Interesse der Menschen für alle bezahlbar bereitgestellt werden kann, wenn Marktmechanismen zurückgedrängt werden und die Interessen der Nutzenden des Guts dominieren. Eine neue Wohngemeinnützigkeit, kommunale Mietobergrenzensatzungen und harte Vorkaufsrechte für Kommunen mit preislichen Obergrenzen seien Forderungen, um die herum linke Kämpfe organisiert werden könnten.

Einleitung von Erhard Korn, Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg zu den Theodor Bergmann Lectures 2024

Theodor Bergmann, dem diese Tagung gewidmet ist, musste an seinem 17. Geburtstag am 7.3.1933 aus Deutschland fliehen – wie tausende andere Linke. Dem Rechtstrend, den er mit Sorge beobachtet hat, zu widerstehen bleibt uns Verpflichtung.

Können die ermutigenden Kundgebungen «Die rechte Welle brechen», wie die große Stuttgarter Demo am 24.2. forderte? Oder wird die nationale Welle im Herbst auf Länderebene die Brandmauern überspülen?

Im Stuttgarter «Kontext» schrieb Chris Grodotzky, außerparlamentarischer Aktivist in der Klimabewegung, angesichts der ermutigenden Demos gegen Rechts, dass sie die Faschisierung bestenfalls verlangsamen könnten – «solange es kein dezidiert linkes Gegenprojekt gibt» (27.1.24). Erster Schritt für den Aufbau einer Gegenmacht zur Rechtsentwicklung sei es, «die einzige Partei zu retten, die den Abgehängten und Enttäuschten ein Angebot zu machen hat». So begründet er seinen Eintritt in die Linkspartei.

Von einer «bleiernen Zeit für die Linke» sprach dagegen gerade Karsten Krampitz im «Freitag» (29.2.24), machte aber der totgesagten Partei auch Hoffnung – die Sozialisten hätten schon viele Krisen und Spaltungen überwunden, «weil sie eine Utopie hatten», die den Menschen Hoffnung gab.

Auf dem Tiefpunkt seines persönlichen und politischen Lebens, auf der Flucht vor den siegreichen Nazis, kurz nach den zunächst trotzig verteidigten Moskauer Prozessen, isoliert in Amerika, als gescheiterter Tellerwäscher und Almosenbettler ohne Sprache und Einkommen, begann Ernst Bloch 1938 sein Hauptwerk zu schreiben. «Träume vom besseren Leben» wollte er es ursprünglich nennen.

«Das Prinzip Hoffnung» war ihm, wie unserem am 7.3.1916 geborenen und vor 7 Jahren verstorbenen Theo Bergmann, auch ein «Prinzip trotz alledem».

Bloch betont die großen emotionalen Antriebe, die in der Utopie als Bewahrerin des Fernziels stecken, er betont aber auch, dass Utopie ein bloßer «Schmarrn» bleibt, wenn sie nicht vermittelt wird durch Nahziele, durch Arbeit «in des Teufels Wirtshaus», also sozialistische Alltagsarbeit im Kapitalismus, eine Arbeit, die wiederum die Fernziele brauche wie die Sprossen die Leiter.

Prof. Dr. Dieter Klein, den ich hier als ersten nennen möchte, ist solchem Denken sehr nah. Er rät «auf konkrete Utopien und aktivierende Hoffnung gerichtete Denken Ernst Blochs bewusster anzueignen, um mit einer großen geistigen und organisierenden Anstrengung aus der Defensive der Linken herauszutreten und für eine von Hoffnung getragene Gesellschaft in die Offensive zu gehen». Er hat sich als Ökonom schon in der DDR im Projekt «Moderne Sozialismustheorie» für alternative Wege einer Demokratisierung des Sozialismus eingesetzt und war Akteur in der Wendezeit, die ja auch eine Zeit der Utopien war. Nicht DDR-Nostalgie, sondern sehr kritische Auseinandersetzung mit den Erfahrungen des Staatssozialismus als Voraussetzung für einen Neubeginn, der ja auch eine neue politische Kultur voraussetzt, die Freiheit der Diskussion, von der schon Rosa Luxemburg sprach. Noch immer lesenswert sein Buch «Das Morgen tanzt im Heute. Transformation im Kapitalismus und über ihn hinaus». Zuletzt erschien «Regulation in einer solidarischen Gesellschaft. Wie eine sozial-ökologische Transformation funktionieren könnte.» Schwer vorstellbar, dass ökologische Wende ohne solche demokratische Regulationen zu bewerkstelligen wäre. Übrigens auf den Seiten der RLS frei lesbar. Wie kann eine erneuerte Linke mit dem Widerspruch umgehen, dass zwar einerseits die Gesellschaft als ungerecht empfunden wird, andererseits aber fast schon als unveränderbar? Wie können jene notwendigen Projekte des sozialökonomischen Umbaus und der solidarischen Erneuerung als machbare Projekte konkretisiert und mit einem linken Neubeginn verbunden werden?

Beginnen wird den Tag Richard Detje, Sozialwissenschaftler, Redakteur und Vorstandsmitglied der RLS, Co-Autor etwa von «Solidarität in den Krisen der Arbeitswelt: Aktualität kollektiver Widerstandserfahrungen», analysiert seit langem die sozialen und betrieblichen Ursachen jener schillernden weltweiten Rechtsentwicklung, für die wir noch keinen Namen haben, die aber im Herbst die Bundesrepublik in eine tiefe Krise der politischen Repräsentanz stützen könnte. Schon jetzt ist sie ins klassische Terrain der Gewerkschaften und Linken eingebrochen. Nationalismus verspricht angesichts der multiplen Krisen Zusammenhalt und eine scheinbare Sicherheit. Wie aber hängt die Stärke der Rechten mit der Schwäche der Linken zusammen? Und wie könnte der Wunsch nach einer Wiedergewinnung von Kontrolle in ein Demokratisierungskonzept überführt werden, das auch die Arbeitswelt umfasst?

Auch Klaus Dörre lenkt heute Nachmittag den Blick auf verletzte Gerechtigkeitsvorstellungen als «deep story» des völkischen Populismus und warnt vor Faschismus, falls gegen «die Warteschlangen am Berg der Gerechtigkeit“ nicht beseitigt werden. Dass auch die dringend notwendige ökologische Wende in ihrer neoliberalen Form diese Gerechtigkeitsvorstellungen verletzt, trägt zur Stärkung der Rechten bei. «Wie kann es gelingen, den Sozialismus nunmehr als ökologischen oder besser: als demokratisch-nachhaltigen wieder zu beleben» fragt er (nach einer Strafpredigt gegen die Sektierertum und Selbstzerfleischung als Lieblingsbeschäftigung) in seinem Buch «Die Utopie des Sozialismus.»

Der von Dörre geforderten «Labour Turn» der Klimabewegung wird im Projekt «Wir fahren Zusammen» ansatzweise verwirklicht, über das Ajla Salatovic berichten wird. Drei solcher «Einstiegsprojekte» wollen wir am Schluss vorstellen. Sie gehen im Sinne Blochs Nahziele an mit Blick aber auf Zukünftiges, sind Arbeit «in des Teufels Wirtshaus». Kämpfe um Zeit mit Philipp Frey, auch in Erinnerung an Sybille Stamm, der sie, auch unter feministischer Perspektive wichtig waren, und «Kämpfe für leistbares und anderes Wohnen» mit Axel Burkhardt.

Es macht Mut, dass selbst im erzkapitalistischen Amerika Politiker wie Bernie Sanders Zustimmung bekommen für den Kampf gegen autoritäre Kräfte und für Gerechtigkeit, Anstand und menschliche Würde, den Sanders «demokratischen Sozialismus» nennt. «Sozialismus» diente Trump sogar als Kampfbegriff gegen die allgemeine Krankenversicherung. Sanders gebraucht diesen diffamierten Begriff bewusst, weil es ihm um die Verschiebung des Diskursrahmens zu tun ist. Darüber wollen auch wir heute reden.

Verzweiflung angesichts des Autoritarismus kann keine Option sein, betont Sanders. Das gilt auch für uns.

Materialien zu den Beiträgen:

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