Nachricht | Gewerkschaftsarbeit in Zeiten von Krise und Inflation

Bericht zum Gewerkschaftsratschlag vom 6. Mai 2023 in Karlsruhe

50 aktive Gewerkschafter:innen aus Baden-Württemberg, davon viele organisiert in der LINKEN, trafen sich am 6. Mai im DGB-Haus Karlsruhe zum Ratschlag. Im Mittelpunkt der Diskussion standen zunächst die Tarifkämpfe im Öffentlichen Dienst und bei der IG Metall, über die der Landesbezirksleiter von ver.di Baden-Württemberg Martin Gross und Ralf Jaster, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Reutlingen-Tübingen, berichteten. Beide hoben die breite Aktivierung der Belegschaften in den Tarifrunden und die dort gemachten Lernerfahrungen hervor, die für die Durchsetzungskraft und die Zukunft der Gewerkschaften entscheidend seien. Dass es dennoch nicht gelungen sei, trotz einer positiv zu bewertenden starken sozialen Komponente im Abschluss des Öffentlichen Dienstes, einen Abschluss zu erreichen, der die Kaufkraftverluste der Beschäftigten ausgleicht, habe neben der Verweigerungshaltung der Arbeitgeber und der schwierigen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen eine Reihe von strukturellen Ursachen: die Ausbreitung unsicherer und tariffreier Beschäftigungsverhältnisse, ein Absinken der Tarifbindung von Betrieben, der Strukturwandel in den Industriebetrieben weg von organisationsstarken Bereichen in der Fertigung hin zu organisationsschwachen Bereichen in der Entwicklung, ökonomische Disparitäten zwischen großen und kleinen Betrieben sowie das Erpressungspotential durch die Androhung von Betriebsverlagerungen. Um dem etwas entgegenzusetzen, gelte es die Organisationsmacht der Gewerkschaften auszubauen, durch konsequente Betriebsarbeit die Konfliktbereitschaft an der Basis zu erhöhen, Solidarität zwischen Betrieben und Beschäftigtengruppen zu organisieren und durch breite gesellschaftliche Bündnisse Druck auf die Politik zu machen für bessere Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse.

Kämpfe um Arbeitszeitverkürzung und für mehr Personal waren Gegenstand der Diskussion im zweiten Teil des Ratschlags. Christina Zacharias vom Bündnis «Krankenhaus statt Fabrik» in Karlsruhe machte deutlich, dass die Forderungen nach einer besseren Personalausstattung in den Krankenhäusern, insb. im Bereich der Pflege, und nach Arbeitszeiten, die zum Leben passen, zusammen vorangetrieben werden müssen. Zu wenig Zeit für zu viel Arbeit seien die beiden Seiten der Medaille von Beschäftigung zu Lasten der, zumeist weiblichen, Beschäftigten. Erfolgreiche Kämpfe könnten jedoch nicht nur auf der betrieblichen Ebene geführt werden. Vielmehr gelte es, die Politik der Ökonomisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen zurückzudrängen und die Gesundheitspolitik wieder am Wohle der Patient:innen und Beschäftigten zu orientieren. Dass gesetzliche Arbeitszeitregelungen gerade in den Bereichen der Lebensmittelproduktion sowie des Gaststätten- und Hotelgewerbes eine wichtige Schutzfunktion für die Beschäftigten haben, machte Elwis Capece, Geschäftsführer der NGG Mittelbaden-Nordschwarzwald, deutlich. Wo Schichtarbeit, Wochenend- und Nachtarbeit die Gesundheit der Beschäftigten bereits beeinträchtigten, seien alle Versuche der Arbeitgeber und der Politik, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen, strikt zurückzuweisen. Kämpfe um weniger Arbeits- und mehr Lebenszeit zu einer Kernforderung linker (Gewerkschaft-)Politik zu machen – dafür warb Philipp Frey, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, der sich mit dem Thema nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich am KIT Karlsruhe beschäftigt. Er berichtete über positive Erfahrungen mit Experimenten zur Arbeitszeitverkürzung in England und aktuelle Forderungen aus der IG Metall für eine Vier Tage-Woche in der Stahlindustrie. Klar müsse dabei sein: Arbeitszeitverkürzung nur bei vollem Lohnausgleich und, wo notwendig, vollem Personalausgleich!

Dass ein Bedürfnis besteht, dass sich linke Gewerkschafter:innen sowohl vor Ort wie auch darüber hinaus intensiver vernetzen, um linke Positionen in den Gewerkschaften zu stärken, machte sich in der Schlussrunde des Ratschlags deutlich. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung wird diese Vernetzung weiter unterstützen.